Die Kinder des Saturn
herunterlaufen, muss ich schnauben. »Wenn Sie mich jetzt
bitte entschuldigen würden?« Ich blinzle die Tränen weg und konzentriere mich lange genug auf mein Notebook, um Blunt eine kurze Nachricht zu schicken, in der ich ihn bitte, seine Bemühungen einzustellen und sich zurückzuziehen. Danach hole ich mehrmals tief Luft, um meine Absonderungsmechanismen zu reinigen. »Es tut mir wirklich leid, dass ich zusammengeklappt bin, das ist mir so peinlich …«
»Sie müssen sich für nichts entschuldigen, Freya.« Immer noch beugt er sich besorgt über mich, als wäre er nicht sicher, ob er mich in die Arme nehmen soll. Doch sobald ich mich wieder hingesetzt und mein Gesicht abgewischt habe, kehrt er hinter seinen Schreibtisch zurück. Als er Platz nimmt, ächzen die ausgeleierten Sprungfedern des Sessels. »Sie haben bestimmt eine ermüdende und schwierige Reise hinter sich.« Er zögert einen Moment. »Man hat Berichte gehört. Ichiban hatte Recht, Sie uns zu empfehlen. In dem Nepplokal haben Sie nur Ihre Zeit vergeudet.«
Wie bitte? »Ich weiß nicht, worauf Sie anspielen.«
»Nein, natürlich nicht. Sie haben eine sehr anstrengende Zeit hinter sich und wissen nicht einmal, wer hinter dieser Entführung steckt, auch wenn die Schwarze Klaue … Aber wir wollen der Sache nicht vorgreifen, nicht wahr? Warten Sie mal, wo fangen wir am besten an … Nun ja, wieso sind Sie überhaupt hier? Weil Sie sich mit einem Mann wegen eines Jobs getroffen haben, stimmt’s?«
Ich nicke vorsichtig.
»Ichiban ist gelegentlich nützlich, aber es bringt nichts, ihm allzu viel zu erzählen. Er hängt ausschließlich am Mammon, und man weiß nie, wer sich irgendwann seine Loyalität zu erkaufen versucht. Aber das mag sein, wie es will, jedenfalls sind Sie genau das, wonach er Ausschau halten sollte, und wir – das heißt die Firma Jeeves – würden Ihnen gern ein Beschäftigungsverhältnis anbieten.«
»Beschäfti…« Ich bemühe mich, mir nicht die Zunge abzubeißen. »Welche Art von Beschäftigung? Und wer ist die Firma Jeeves überhaupt? Was tun Sie?« In Anbetracht dessen, dass sich seine Nasenflügel leicht blähen – ist das eine Missfallensbekundung?
-, rutsche ich nervös hin und her. »Entschuldigung, ich dachte nur, es wäre gut … nachzufragen.«
»Kein Problem, die Frage ist völlig berechtigt.« Er vollführt eine seltsame Geste mit der Hand, als wolle er etwas glatt streichen. »Die Firma Jeeves ist ein Unternehmen, das Ihnen sicher noch gar nicht aufgefallen ist. Wir legen großen Wert auf Diskretion.« Er richtet sich leicht auf. »Wir vermitteln Dinge. Wenn unsere Kunden irgendwelche Wünsche haben, besteht unsere Aufgabe darin, sie zu erfüllen. Wir vereinfachen schwierige Dinge und machen Kompliziertes durchschaubar. Immer, wenn unsere Kunden unsere Dienstleistungen anfordern, sind wir im Hintergrund für sie da – unsichtbar, mit gepflegten Umgangsformen und im Voraus auf ihre Bedürfnisse eingestellt.« Er lächelt mir komplizenhaft zu. »Wir betrachten unsere Arbeit gern als etwas, das uns für unsere Kunden unentbehrlich macht.«
»Aha, ich verstehe, glaube ich.« Es fällt mir schwer, im Bann seiner beunruhigenden, unwiderstehlichen Ausstrahlung, dieser Aura meisterlicher Gelassenheit, einen klaren Gedanken zu fassen. »Aber, äh …« Ich versuche mich aufzusetzen, beiße mir in die Wangen und schlage die Beine übereinander. Doch ich bin hier nicht die Einzige mit seltsamen autonomen Reflexen. Er schluckt vernehmlich und wendet den Blick von mir ab. »Aber was genau tun Sie?«, hake ich nach. Eine nagende, nervende Erinnerung drängt bei mir an die Oberfläche; ein hässlicher, misstrauischer Teil von mir versucht mir irgendetwas mitzuteilen.
»Das größte Ziel unseres Patriarchen, unserer Kopiervorlage, bestand darin, als Gentleman einem Gentleman zu dienen«, erklärt Jeeves mit sonorer Stimme. »Und all meine Verkörperungen sind sich darin einig, dass es keine höhere Berufung gibt. Aber leider muss man sich ja eingestehen, dass angemessene Dienstherren heutzutage rar gesät sind. Folglich müssen wir von Zeit zu Zeit komplizierte Aufgaben für nicht ganz so ideale Auftraggeber übernehmen.« Seine Miene verhärtet sich, allerdings gilt der starre Blick nicht mir. »Selbst wenn das unfeines Verhalten bedeutet. Solche Aktivitäten sind immer schon Teil unserer Dienstleistungen
gewesen, nur werden sie heute eher häufig als selten nachgefragt. Leider muss man alles übernehmen, das den
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