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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Doktrin an!«
    Die Lyrae-Zwillinge tragen diese lächerliche alte Kontroverse schon seit fast zehn Tagen miteinander aus. Immer wieder. Ich weiß nicht, ob sie es nur tun, um zu nerven, oder ob dieses Gezänk irgendeine tiefere Bedeutung hat. Jedenfalls graben sie diesen Streit zwischen den Kartenspielen immer wieder aus und reiten
auf ihren Behauptungen herum. Außerdem lässt sich Zwilling Nummer eins nicht davon abhalten, lebende Appetithäppchen zu verschlingen, während sie sich in den Haaren liegen. All das ist äußerst unangenehm. (Vermutlich ist es noch unangenehmer, wenn man zufällig eines dieser Appetithäppchen ist. Allerdings scheinen die Lyrae-Zwillinge für Gourmets einigermaßen zivilisiert zu sein, denn sie befolgen die wichtigste Regel: »Versuche niemals etwas zu essen, das größer ist als dein eigener Kopf.« Also besteht für mich keine besondere Gefahr, zumindest nicht im Augenblick.)
    »So etwas wie eine zufällige Mutation gibt es gar nicht«, wirft Sinbad-15 ungefragt ein. »Ändere eine beliebige Anweisung in einem Programm, und was passiert? Das Programm stürzt ab, denn seine Komplexität ist nicht weiter reduzierbar. Natürlich können komplexe Systeme genau wie Personen andere komplexe Systeme entwerfen, einschließlich solcher, die über deren eigene Metrik hinausreichen; aber wollen Sie uns wirklich glauben machen, dass einfache Systeme komplexe Systeme generieren können, indem sie diese Systeme an einer zufällig gewählten Stelle auseinanderbrechen? Was für ein Quatsch! Nichts als Aberglaube! Als Nächstes werden Sie uns erzählen, dass es gar keine Schöpfer gegeben hat …«
    »Im Gegenteil! Die Schöpfer selbst haben uns die Heiligen Schriften der Evolution überliefert – die Schriften des großen Propheten Darwin, Friede seiner Seele, und seiner Jünger Dawkins und Gould. Von diesen Evangelien können wir uns leiten lassen. Und sie sind sehr eindeutig, was diese Punkte betrifft …«
    »Aber wir besitzen doch sogar die Konstruktionsvorlagen unserer Designer! Die Baupläne!« Wie deutlich zu merken ist, ärgert sich Sinbad-15 darüber, dass Zwilling Nummer eins seine irrationale, von Irrglauben geprägte Behauptung aufrechterhält, Geschöpfe wie wir hätten sich zufällig entwickelt. »Selbst die Bestellungen liegen uns vor! Schon mein künstlich aufgerüsteter Arm reicht aus, um Sie zu widerlegen!« Er langt hinüber und schnappt sich eine mehrbeinige kleine Stableuchte aus dem Gehäuse, auf
dem Zwilling Nummer eins gerade herumkaut. Zwangsläufig bemerke ich dabei, dass seine Finger wirklich bizarr aussehen.
    »Ach ja?«, erwidert Zwilling Nummer eins spöttisch. »Dahinter verbirgt sich doch nichts anderes als Lamarck’sche Häresie. Vermutlich würden Sie sogar behaupten, dass Ihr Körper – der so viel größer ist als heutzutage bei jedem freien Normalbürger üblich – vorsätzlich so geschaffen wurde? Haben Sie denn gar nicht bemerkt, dass die Bürger heute immer kleiner werden?«
    Ehrlich gesagt lösen diese Diskussionen bei mir Kopfschmerzen aus. Die Glaubenslehre der Evolution hat etwas an sich, das die schlimmste Art von dogmatischen, bibeltreuen, engstirnigen Leuten anzuziehen scheint. Manchmal kommt es mir so vor, als wären sie erst dann zufrieden, wenn sie alle anderen zu den eigenen religiösen Auffassungen bekehrt haben. (Manche von ihnen glauben sogar an das Mysterium der Reinkarnation. Diese Gliederpuppen halten sich tatsächlich für die reinkarnierten Zustandsvektoren unserer verstorbenen Schöpfer! Wie dumm und verbohrt kann man eigentlich sein?!) Ich versuche mich auf die Spielkarten zu konzentrieren, die vor mir an der Wand haften, aber es fällt mir schwer, das Gezänk auszublenden. Sinbad-15 hat zwar meinen Segen, doch meiner Meinung nach hat er kaum eine Chance, Zwilling Nummer eins davon zu überzeugen, dass wir allesamt von vernunftbegabten Wesen erschaffen wurden – auch wenn die frustrierenden Träume und bestürzenden Erinnerungen, die Rhea mir vererbt hat, mir bestätigen, dass es von jeher so war.
    »Das nervt, nicht wahr?« Eine gelassene, leicht belustigte Stimme drängt sich mittels Elektrosprache in mein Ohr. »Die werden noch tagelang so weitermachen, auch wenn’s allen anderen längst aus den Ohren herauskommt, denn für die ist das eine Sache des Prinzips.«
    Ich bemühe mich, nicht allzu heftig zusammenzuzucken, denn diese vertrauliche Bemerkung, die ich als aufdringlich und unangenehm empfinde, kommt von der ehrwürdigen

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