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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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Friedhofswärtern Ausschau, nicht nach Konkurrenten. Selbstverständlich gehören sie zu IHR. Und wie alle Winzlinge in IHREM Gefolge sind sie grausame, nur zu einem einzigen Zweck geschaffene Wesen. Sie sind nicht meinetwegen hier, sondern wollen offenbar zur Hauptkrypta. Für Jeeves wäre es eine Katastrophe, würden sie es bis dorthin schaffen. Denn SIE ist eine Gebieterin, die niemand anderen neben sich duldet und keinem etwas gönnt. Wenn die Ninjas das bekommen, was SIE haben will, werden sie den Kuppelbau hinter sich sprengen und den Wüstensand und den zersetzenden, schnell oxidierenden Staub hereinlassen, um auf diese Weise das Grab unserer Schöpfer von allen verbliebenen Replikatoren zu säubern. Und ich müsste dafür den Kopf hinhalten.

    Flüchtig höre ich weiteres unverständliches Geschnatter. Der Friedhofswärter, der sich auf der anderen Seite der Mauer befinden muss, rührt sich nicht und wartet ab. Im Hinterkopf kann ich seine Gegenwart wie ein niederdrückendes Gewicht spüren, kann nachvollziehen, welch ungeheure Wut er empfinden muss, da etwas Lebendiges die Totenstille seines Gartens unerlaubt stört. Die Ninjas kichern spöttisch. Ich blinzle einen dünnen Eisfilm weg und schließe die Augen. Kann ich sie von hinten in die Zange nehmen? Allerdings haben sie die elektronische Wahrnehmung aktiviert – ich kann ihr elektromagnetisches Nahfeld spüren. Sie sind gleich da drüben …
    Während ich mich umsehe, stürzt sich der erste, in einen schwarzen Mantel gehüllte Zwerg vom anderen Ende des Pfades her auf mich. Ich hab mich geirrt; sie haben mich von Anfang an entdeckt und zum Ziel auserkoren! Als ich mich bewege, richtet der Gnom eine Waffe auf mich. Wo ist seine Verstärkung?, frage ich mich verzweifelt. Denn stets tötet einen derjenige, den man nicht sieht. Als ich mit all der Kraft, die meine Energie entladenden Beinmuskeln für einen einzigen Sprung aufbringen können, in die Höhe schnelle, feuert er auf mich. Während ich in die Dunkelheit emporsteige und der Boden unter mir zurückbleibt, zerrt irgendetwas heftig an meinem Mantel. Hilflos beschreibe ich einen Bogen und warte auf den zweiten Schützen.
    Ein dumpfer Schlag. Offenbar bin ich nicht die einzige Aeronautin, die heute Nacht unterwegs ist. Mit einem gewaltigen, schlingernden Sprung löst sich der Friedhofswärter von der Mauer. Flüchtig sehe ich, wie sich seine Silhouette vor dem Himmel abzeichnet. Über dem breiten, linsenförmigen Fuß sitzt ein riesiges spiralenförmiges Gehäuse. Ich erhasche sogar einen Blick auf seine gezackte Unterseite – auf die Schabemesser, die so geduldig Stein und Metall bearbeiten, Grabräubern die Haut abziehen und Eindringlinge verstümmeln. Er dagegen sieht mich nicht, denn die Designer dieser Wärter fanden es unnötig, sie mit nanometrischen Sensoren auszustatten. Gleich darauf beginnt mein Rücksturz zum Boden, und ich lande mehr oder weniger
an der Stelle, wo der Wärter aus dem Hinterhalt emporgeschossen ist.
    Gleich darauf höre ich Schreie und spüre durch die Mauer hindurch eine Erschütterung, auf die schwabbelnde und mahlende Geräusche folgen. In gedrückter Stimmung und ständig auf der Hut setze ich meinen Weg fort.

    Zwilling Nummer eins hält ein zappelndes Reinigungsgerät ins Licht und inspiziert es sorgfältig. »Die Geschichte des Lebens handelt nicht vom Fortschritt, sondern vom zufälligen Zusammentreffen verschiedener Umstände«, erklärt er wichtigtuerisch. »Lebensformen entwickeln sich, um Energiequellen besser verwerten zu können. So sagt schon die Bibel, und genau das werde ich beweisen.« Er streckt das demolierte winzige Reinigungsgerät zu seinen Fresswerkzeugen hoch, beißt es sauber in zwei Hälften durch und beginnt, darauf herumzukauen. Mir vergeht die Lust, weiter zuzuschauen. Ich weiß schon, was als Nächstes kommt. (Seit dreißig Tagen sind wir nun schon unterwegs und beschäftigen uns notgedrungen mit Gesellschaftsspielen und philosophischen Debatten – das heißt, diejenigen von uns, die sich nicht in irgendeinen abgelegenen Winkel zurückgezogen haben, um wichtige Geschäfte zu tätigen. Aber in so etwas wie das hier hineingezogen zu werden …!)
    Zwilling Nummer zwei wirft seinem Bruder einen Blick abgrundtiefer Verachtung zu. »Unsinn! Die Glaubenslehre der Evolution besagt, dass sich das ursprüngliche Design durch das Wunder der Mutation wandelt. Aber wir wandeln uns nicht, sondern wurden serienmäßig hergestellt . Also fechte ich diese

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