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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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gehäuteten Arme münden in knochigen Klauen, die sich immer noch in die dünne Luft strecken, denn die Friedhofswärter halten sich als ehemalige Arbeitssklaven immer noch an die Instruktionen ihrer früheren Gebieter und töten nicht. Wie ein Gespenst husche ich zwischen den Gepfählten hindurch und blicke nicht einmal aus den Augenwinkeln heraus zu ihnen hinüber. Es ist nicht meine Aufgabe, sie zu retten. Und nach all den Jahren sind sie wahrscheinlich genauso wahnsinnig wie ihre Gefängniswärter, die den beiden Opfern die Sprachzentren zerstört und sie da oben zur Abschreckung aufgespießt haben.
    Zu beiden Seiten des Pfades ragen riesige Steinsarkophage auf, gekrönt von heroischen Plastiken: Engel in Raumanzügen beugen sich mit gesenkten Flügeln und ausgefahrenen Krügerklappen über die Gefallenen. Zwischen und hinter den Engeln sind mehrere grob gemeißelte, knorrige Stelen zu erkennen, an deren
Spitzen verästelte Röhren und Tragflügel angedeutet sind, so als hätten die Friedhofsgestalter hier versucht, ausgestorbene sessile Lebensformen nachzuahmen. (Diese Lebensformen nannte man Pflanzen und Bäume . Mir fällt ein, dass Juliette sich eingehend mit ihnen befasst hat.)
    Vorsichtig schleiche ich an den leeren Grüften und in Stein verewigten Bäumen vorbei, bleibe auf dem Pfad und lasse weitere aus Stein gemeißelte Monumente hinter mir – Stelen aus rotem Sandstein, die Spuren von Abrasion aufweisen. (Zwar ist die Atmosphäre hier dünn und kalt, doch in jedem langen Marsjahr ist dieser Friedhof mehrmals heftigen Sand- und Staubstürmen ausgesetzt.) Gleich darauf biege ich, nachdem ich den abgespeicherten Lageplan zu Rate gezogen habe, in einen eingesunkenen, schmalen Seitenweg ein, der zur Einfriedungsmauer rund um den innersten Kreis von Gräbern führt. (Hier haben die Gedenksteine alle die Form fantastischer, archaischer Raumschiffe.) Ich bin kaum noch fünfzig Meter von meinem Ziel entfernt, als sich mein Rücken plötzlich anspannt und mich eine Welle der Erschütterung auf den kalten steinigen Boden wirft. Durch meine Fußsohlen spüre ich ein Vibrieren – dröhnende, Unheil verkündende Schritte . Die Friedhofswärter sind nur mit einem einzigen bizarren Bein ausgestattet und bewegen sich langsam und vorsichtig vorwärts. Sie können durch ihre Füße hören, hat mich mein Auftraggeber gewarnt. Sobald du dich rührst, können sie dich orten. Und dann stürzen sie sich auf dich.
    Aber ich bin schon zu nah am Ziel, um jetzt aufzugeben! Falls ich weitergehe, werden der oder die Wärter mich jedoch hören. Sie sind zwar nicht flink – das sind sie erst, wenn sie sich auf ein Opfer stürzen -, doch bei dem Gedanken, dass ihre mit Schuppen besetzten Glieder nach mir greifen, überwältigt mich ein dumpfes Angstgefühl. In diesem Garten der Ruhe gibt es inzwischen mehr Wesen, die wegen der Zerstörung ihrer Sprachzentren nur noch kreischen können, als Tote. Und immer noch wagen sich Verrückte hierher, die diese Wesen retten wollen, trotz der hartnäckigen Gerüchte, dass die Friedhofswärter die Seelenchips
ihrer Opfer sprengen. Jetzt schießt mir ein weiterer beängstigender Gedanke durch den Kopf: Die den Boden erschütternden Schritte der Einbeiner haben aufgehört, also müssen sie ganz nah sein – und mein Energiepegel sinkt beständig; daran können auch die Wärmemanschetten nichts ändern. Hier draußen, in der Steinwüste des Mars, sackt die Temperatur nachts bedenklich ab. Der eiskalte Boden unter meinen Füßen entzieht mir mit jeder Minute mehr Energie. Hinzu kommt der frostige Wind, den mein schwerer Mantel nicht völlig abhalten kann. Falls ich nicht weitergehe, um meinen Auftrag zu Ende zu bringen, besteht die Gefahr, dass ich vor Kälte erstarre. Und in diesem Zustand werden die Friedhofswärter mich früher oder später aufspüren.
    In meiner Nähe knirscht Kies, und ich höre leises, unverständliches Geschwätz. Offenbar bin ich heute Nacht nicht allein hier draußen. Zu allem Unglück nun auch noch das …
    Zwei Ninjas, nicht größer als Puppen, huschen am Ende des Pfades verstohlen vorbei und halten kurz inne, um sich vor unangenehmen Überraschungen zu schützen. Sie entdecken mich nicht, denn inzwischen bin ich zu Stein erstarrt, als wäre ich ein vergessener Sack mit Kieseln, und halte mich im Schatten verborgen. Außerdem habe ich meine Haut und das Haar so dunkel getönt, dass sie sich nicht mehr von der pechschwarzen Marsnacht abheben. Die Ninjas halten nach

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