Die Kinder des Saturn
in »Raumanzügen« dargestellt. Das sind jene Platzangst erzeugenden Hüllen aus Stoff und Metall, auf die unsere Schöpfer angewiesen waren, wenn sie sich aus der Umgebung herauswagten, für die sie geschaffen waren.
Zwischen den Sarkophagen halten Schutzengel mit ausgebreiteten Flügeln und ausgefahrenen Landeklappen Wacht.
Mit grimmigem Blick und gezückten Sturmgewehren walten sie ihres heiligen Amtes, bereit, einen jeden, der sich erdreistet, den Schlummer ihrer Schützlinge zu stören, ins Jenseits zu befördern.
Falls ich richtig informiert bin, ist der zweite Engel auf der linken Seite … Ja, jetzt sehe ich es. Seine Waffe ist für eine Bildhauerarbeit verdächtig glatt poliert. Während ich hinübergehe, greife ich in meinen Mantel und ziehe das heimtückische Ding heraus, für das ich so viel bezahlt habe. Gleich darauf fahre ich damit über den Abzugsfinger des Schutzengels.
»Weitergehen, Freundin«, sagt er in Elektrosprache, während ich meine Hand zurückziehe und den abgetrennten Abzugsfinger samt Authentifizierungszeichen und allem anderen in meiner Manteltasche verstaue. Manchmal ist die auf Identität basierende Legitimation und Bevollmächtigung zum Waffeneinsatz ein gutes Mittel, das eigene Umfeld zu sichern … aber nicht immer. Und selbst die Friedhofswärter müssen sich das entsprechende Zubehör besorgen. Sind sie wirklich so paranoid, was Eindringlinge betrifft, dass sie nicht einmal intelligente, interaktive Wächter auf ihrem Friedhof dulden? Das ist ihr Problem, sage ich mir, während ich an den Schutzengeln vorbeihusche, das Tor öffne und den Steingarten ring um das Mausoleum betrete.
Das Mausoleum steht als einzelnes Gebäude mitten in einem von Mauern eingefassten Garten, der mit makellos gemeißelten Grabsteinen übersät ist. Das Dach ruht auf zwanzig dorischen Säulen, die einen Kreis bilden, und hat die Form eines konischen Landevehikels, das bereits die Stelzen ausgefahren hat und gleich aufsetzen wird. Ich gehe auf den Eingang zu, der in den ständig wechselnden Schatten des vorbeiziehenden Phobos kaum auszumachen ist. Dabei kann ich hören, wie der Permafrostboden unter meinen Füßen knirscht und in der Ferne gepfählte Eindringlinge jammern. Während irgendwo eine Glocke zur vollen Nachtstunde läutet, trete ich ins Innere des Mausoleums.
Hier lagern die Schätze des Mars in ihren Gehäusen. Als die Grabschändungen überhandnahmen, haben die Friedhofswärter sie aus den Gräbern geborgen und hierher verlegt. (Schließlich ist es leichter, ein einzelnes Mausoleum im Zentrum einer geschützten Anlage zu bewachen, als Gräber, die kreuz und quer über einen offen zugänglichen Park verteilt sind.)
Die Verstorbenen ruhen in zwanzig Kisten aus Leichtaluminium, die auf einem Gestell in der Raummitte übereinandergestapelt sind. Nie mehr werden ihre Ohren das Anschlagen der Nachtglocke vernehmen. Während ich auf sie zugehe, richten sich meine Chromatophoren zu winzigen dunklen Stacheln auf, und ich bekomme eine Gänsehaut. Was mir so zu schaffen macht, ist eine Mischung aus Aberglauben und Angst. Diese Toten sind unsere Schöpfer; vielleicht werde ich meiner Einzig Wahren Liebe nie wieder so nahe kommen wie jetzt. Es sei denn, gewisse Pläne – wer hat sie überhaupt ausgeheckt? – tragen Früchte. Unsere Schöpfer sind tot und bergen dennoch die Samen des Lebens, denn in diesen Särgen schlummern Replikatoren des Pink Goo . Ausgetrocknet und ausgekühlt, dennoch unversehrt. Seltsame Vorstellung, dass jede Zelle die ungeheuer produktive Vervielfältigungstechnologie unserer Schöpfer bewahrt hat!
Selbstverständlich will SIE die Proben für sich. Und den Rest wird SIE, ohne mit der Wimper zu zucken, vernichten, damit nichts in die Hände IHRER Konkurrenten gelangt. Doch als Erstes
will SIE das lebenswichtige Proteom mit unversehrten Wasserstoffverbindungen und nicht von Wärme zerstörten Disulfidbrücken an sich bringen: die Chromosomen, mit geschlossenen, ringförmigen DNA-Molekülen, die extrem gepackt als spiralisierte Helix vorliegen, Methylgruppen, die signalisieren, dass sie aktiviert sind. SIE will die Zellen auf einzelne DNA-Reste hin untersuchen lassen, auf subtile Regulatoren und initiierende Sequenzen, die dafür sorgen, dass die Maschinerie zum Leben erwacht. Und wenn IHRE Konstrukteure damit fertig sind, werden sie eine Zelle für SIE schaffen, die mit Enzymen und gewissenhaft rekonstruierten Zellorganellen ausgestattet ist, und die Uhren und Sequenzen
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