Die Kinder des Saturn
sind.«
»Hat Jeeves eigentlich angeboten, dich für all das zu bezahlen?«, fragt Bill das Schiff dreist.
»Man erörtert vertrauliche geschäftliche Absprachen nicht in aller Öffentlichkeit.« Die schnippische Abfuhr der Pygmalion ist deutlich genug. (Ich wette zehn zu eins, dass Jeeves das Schiff großzügig dafür entlohnt hat, mich heimlich an der Pink Goo -Polizei vorbeizuschmuggeln.) »Diese Sache war und ist äußerst unangenehm. Meine Polster sind ruiniert und meine Fluggäste schockiert – es ist wirklich skandalös! Aber … Oh!« Der Ton wechselt. »Oh nein!«
»Was ist …«
»Die haben gerade eine Rakete abgefeuert.« Entsetzt hält die Pygmalion inne. »Aber nicht auf uns, sondern in die Gegenrichtung. Welchen Grund könnte das haben?« Weitere Sekunden verstreichen. »Sie ist gerade explodiert, sechsundneunzig Kilometer von uns entfernt. Wirklich seltsam!«
Ich zittere krampfartig. Nein, keineswegs seltsam, wenn man weiß, was dahintersteckt: ausgestopfte Kleidung, die im Vakuum schwebt und von der Luftschleuse der Pygmalion immer weiter wegtreibt. Und ein Polizeiboot mit einem frustrierten Kapitän und einer Promi-Tusse an Bord, einer Aristo, die es gar nicht abwarten kann, beim Abschuss zuzusehen.
Irgendjemand will wohl wirklich mit aller Macht verhindern, dass meine Fracht Mars erreicht!
außer gefecht gesetzt
WILLKOMMEN IM MARSHAFEN, willkommen auf Deimos.
Eine kurze Aufzählung seiner Merkmale wird diesem Ort nicht gerecht. Ich bin schon früher hier gewesen (habe sogar einige Jahre hier gelebt), aber Deimos ist stets für Überraschungen gut. Ich will versuchen, es zu erklären …
Deimos ist der äußere der beiden Marsmonde, ein unregelmäßig geformter Felsklumpen, dessen Durchmesser je nach Messrichtung zwischen zehn und fünfzehn Kilometern beträgt. Ursprünglich war er von einer losen Regolithschicht mit hohem Karbonanteil überzogen, doch sie wurde schon vor langer Zeit abgetragen und als Baumaterial verwendet. Hundert Jahre lang versorgten große Sonnenkollektoren nahe Merkur die Raketen, die Deimos’ Umlaufbahn ausrichteten, mit Solarenergie. Heute ist auf Deimos der größte Raumaufzug verankert, der je für den Verkehr zwischen Planet und Umlaufbahn geschaffen wurde: Bifröst.
Die meisten der inneren Planeten sind nicht mit Raumaufzügen ausgestattet. Bei Venus und Merkur scheitert es an den allzu langen Tagen, bei der Erde daran, dass die Gravitationssenke und der Gürtel mit Raumtrümmern die Ingenieurskunst in die Schranken weist. Allerdings besitzt Luna den Aufzug L1. Und Mars, der am Scheitelpunkt des dicht besiedelten, energiereichen inneren Systems und des rohstoffreichen äußeren Systems liegt, verfügt mit seinem Mond Deimos über den idealen Standort und Gravitationsanker für einen leistungsstarken Raumaufzug. Und so kam es zwangsläufig so, dass Mars, das Tor zum äußeren Sonnensystem, Bifröst errichtete und den Marshafen – eine regelrechte
Stadt – aus dem Boden stampfte, um den Aufzug von hier aus zu betreiben.
Die meisten Raumaufzüge stellen einfache Konstruktionen dar: parallel verlaufende Bänder, an denen schwerfällige Kabinen hinauf- und hinabgleiten, Arbeitssklaven, deren Ausleger das schwere interplanetare Frachtgut ächzend von einer Welt des äußeren Sonnensystems zur anderen befördern. Bifröst jedoch ist alles andere als simpel konstruiert. Der Kabelkomplex erstreckt sich über einen halben Kilometer und ist so weitläufig, dass er eine ganze Welt verankern könnte. Express-Shuttles sausen mit ihren Fahrgästen im Eiltempo hinauf und hinunter, während die trägen, robusten Güterwaggons mehrere Wochen für Hin- und Rückfahrt benötigen. Auf dem Weg nach unten sind sie mit raffinierten Rohstoffen beladen, auf dem Weg nach oben mit beund verarbeitetem Material, das in den mächtigen Essen des Mars leichter produziert werden kann als in Anlagen innerhalb der Umlaufbahn und später in andere Welten des inneren Systems exportiert wird.
Eine Viertelmillion Arbeitssklaven, deren aristokratische Aufseher, darüber hinaus auch Unabhängige, die ein Zehntel der Beschäftigten ausmachen dürften, bevölkern den Hafen: Sie laden und entladen Frachtgüter, inspizieren Waren, verrichten Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten, lösen Probleme und dienen den wichtigen Entscheidungsträgern als Erfüllungsgehilfen. Früher einmal waren es unsere ausgestorbenen Schöpfer, die solche Häfen betrieben – Häfen wie »Liverpool«, »New York« oder
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