Die Kinder des Teufels (German Edition)
sonderlich schwer war. Sie trat immer in einem schwarzen Kleid auf, sprach wenig und mied die Gesellschaft anderer. Dafür studierte sie umso mehr geheimnisvolle Bücher, die sie in einer Truhe versteckt hielt. Niemand durfte diese Bücher sehen. Kathi hörte sie einmal Worte und Sätze daraus lesen, als sie glaubte unbeobachtet zu sein. Es war eine fremde, eigenartige Sprache, ähnlich der, die Sounya gebraucht hatte, als Kathi mit schmerzendem Rücken auf ihrem Bett gelegen war.
Auch Djodji, ihr Rabe, verhielt sich nicht weniger seltsam. Wenn andere Vögel sich nachts zu ihren Ruheplätzen begaben, wurde er gerade erst aktiv und flog in die Nacht hinaus. Manchmal kehrte er mehrmals in der Nacht zurück, manchmal blieb er aber auch tagelang fort. Doch jedes Mal, wenn er zurückkam, schien er Sounya von seinen Ausflügen zu berichten. Die beiden suchten dann die Abgeschiedenheit des Wagens auf.
Hätte Kathi die Suche nach Michael in jener Nacht nicht selbst miterlebt, sie würde keinen Pfifferling auf dieses merkwürdige Verhalten der beiden geben. Noch immer war es ihr ein Rätsel, wie Djodji sie zum Kloster Himmelpforten geführt hatte. Konnte es tatsächlich sein, dass sie ihn verstand und er sie auch? So wie es auf dem Flugblatt stand? Madame Sounya und ihr Rabe …
Es schüttelte sie bei diesem Gedanken.
«Gib auf deine neue Freundin Acht», sagte Crispin, «sie hat ein Geheimnis.»
«Welches Geheimnis?»
«Ich weiß es nicht, aber ich bin sicher, du wirst es herausfinden.»
Kathi nickte. «Ich werde es beherzigen.»
«Wenn du schnell Hilfe brauchst, kannst du auch Bruder Pirmin eine Nachricht zukommen lassen.»
Kathi wusste nicht, was es mit Pirmin auf sich hatte. Doch gemessen an der Vertraulichkeit, die zwischen den beiden herrschte, mussten sie sich gut kennen. Pirmin saß bereits in der Kutsche. Er würde Crispin noch ein Stück begleiten.
Nun war es aber höchste Zeit. Crispin gab Michael und Kathi seinen Segen.
«Gott beschütze euch.»
Dann stieg er in die Kutsche und gab das Kommando zur Abfahrt. Kathi schaute ihm noch eine Weile nach, so lange, bis die Kutsche hinter der nächsten Biegung verschwunden war.
«Du hast ihn gemocht», sagte Sounya.
«Irgendwie schon.»
«Er hätte Michael töten können.»
Kathi dachte darüber nach. «Ich glaube nicht.» Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann schaute sie sich um. «Wo steckt Volkhardt? Er müsste doch schon längst da sein.»
«Weiß er, dass wir ihn hier treffen wollen?», fragte Sounya.
«Ja, sicher. Er kommt doch sonst nicht so spät.»
Ohne Volkhardt wollte sie die Reise eigentlich nicht wagen. Sie schaute nach oben. Djodji und Kolk flogen Kapriolen. Wenigstens hatten die beiden sich gefunden.
«Wir müssen los», drängte Sounya.
Sounyas schwarzer Reisewagen stand auf der Bergspitze im Südosten der Stadt. Von hier aus hatte man einen prächtigen Blick auf die Stadt und das Maintal. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in den letzten Resten Schnee auf den Feldern. Es war überraschend mild geworden in den letzten Tagen. Es roch nach Frühling.
Sounya kletterte auf den Bock, und Kathi warf einen letzten Blick zurück ins Tal. Es blieb dabei. Keine Spur von Volkhardt.
Er würde sie bestimmt einholen, sagte sie sich. Dann stieg sie mit Michael in den Wagen.
Es würde eine Tagesreise werden, hatte Sounya gesagt.
Ihr Ziel war der Schwanberg, ein Fluchtberg am Rande des Steigerwalds, mit einer Burg und einem Geheimnis. Im Zuge der Schneeschmelze hatte sich die Nachricht verbreitet, dass ein mysteriöser Stein in der Nähe der St.-Walburgis-Kirche gefunden worden war. Er sollte rot, grün und blau glitzern und die Größe einer Kanonenkugel haben.
Woher der Stein gekommen war und was ihn so außergewöhnlich machte, konnte niemand sagen – außer dem Jungen vielleicht, der ihn in der Nacht des Teufelskometen auf die Erde hatte stürzen sehen.
Der Stein hat in allen Farben des Regenbogens geleuchtet, hatte er gesagt. Selbst dann noch, als er von Schnee bedeckt und erkaltet war.
Inzwischen war der Junge wie vom Erdboden verschluckt.
Eigentlich wollte Kathi nichts mehr von diesen Dingen wissen. Der Teufelskomet und alles, was folgte, hatten ihr gereicht. Dann aber war ihre Neugier doch geweckt worden.
Sie hatte in Sounyas Truhe ein Buch entdeckt.
Es trug seltsame Zeichen auf dem Einband. Im Inneren hatte es Zeichnungen von den Gestirnen und Anweisungen, wie der Mensch sich dieses Wissen zunutze machen konnte.
Kathi liebte
Weitere Kostenlose Bücher