Die Kinder des Teufels (German Edition)
Schritt. Dennoch kam er nicht umhin, die traurige Botschaft zu hören.
«Es muss jeder gescheite Mensch erwägen, wie schrecklich der Jüngste Tag sein wird, wenn sich Gottes Sohn von seinem Thron erhebt und auf diese Welt herabsteigt. Aber nicht als Erlöser, sondern als Richter, zornig und unnachgiebig, der nicht länger geduldig ist wie das Lamm, das Gnade walten lässt. Einem brüllenden Löwen gleich wird er unter euch wüten, zu fordern Gerechtigkeit für all die Lügen und Sünden, die ihr in seinem und des Teufels Namen begangen habt.
Aber noch ist es nicht so weit, noch ist Zeit umzukehren von eurem Weg ins ewige Feuer. Tuet Buße, seid barmherzig und liebet einander, bevor die schlimmen Tage kommen, ärger als all die vorangegangenen. Denn dann, wenn die Zeit der Drangsal beginnt, ist das Ende nahe. Ihr werdet sie erkennen, wenn wahr nicht länger wahr ist, sondern alles falsch und hinterlistig wie die Schlange im Baum. Wenn alles Gute sich ins Schlechte verkehrt, so wie das Obige nach unten. Ein Heulen und ein Flehen wird dann über euch kommen, und ihr habt die Zeit vertan.
Wahrlich, ich sage euch, ich kann ihn sehen, den Tag der Lüge und des Betrugs, wenn die Gottlosen sich über die Frommen erheben und nur noch ein Narr das Knie vor dem Kreuze beugt. Wenn Gottes Diener nicht länger das wahre Wort verkünden, sondern mit dem Teufel zu Bett gehen, da sie selbst zu Teufeln geworden sind und euch verführen, um eure Seele zu rauben. Wahrlich, ich sage euch, dann ist es zu spät, dann ist das Ende gekommen.
Darum hört die Worte des Herrn. Er spricht durch mich zu euch, zu den Dürstenden und den Notleidenden: Kehret um, für das Heil eurer Seele und den Frieden im Himmel und auch auf Erden, jetzt, für alle Ewigkeit. Amen.»
Ein Junge, nicht älter als fünf Jahre, stand in zerrissenen Kleidern und vor Kälte zitternd neben dem verlausten Prediger – in Jakobus’ Augen eher ein Judas Ischariot als ein Johannes der Täufer, ein Verkünder des Messias. Der Blick des Kindes war starr und hoffnungslos in die Menge gerichtet. Offenbar kannte er die Worte seines Herrn zu Genüge. Mit dem Amen ging er auf die Menschen zu, hielt ihnen seine schmutzige Hand entgegen und bat um ein Almosen.
Jakobus kämpfte beim Anblick dieser kleinen, verlorenen Seele mit dem Drang, jetzt auf der Stelle für Gerechtigkeit zu sorgen. Doch er war kein gewöhnlicher Mann, der mit der Gewalt seiner Hände richtete. Er war ein Diener Gottes, ein Verkünder der Worte des Herrn und der Vernunft.
Ein ganz anderer Diener Gottes und Jakobus gut bekannt, kam von der Mainbrücke herauf. Er war zu Pferd, stolz und herrschaftlich, wie man ihn kannte – Wolf Eberhard von Schanzenfeldt, Stiftsherr von St. Burkhard. Im Volk nannte man ihn Bruder Wolf , er galt als überheblich und streitlustig. Er trug den Talar eines Geistlichen, darüber ein warmes Wams aus edlem Tierfell. Seine Hüfte umgab ein mit Gold und Silber bestückter Ledergürtel, an dem ein Säbel hing, der in den Schmieden von Jerusalem gefertigt worden sein sollte. Einer seiner sicherlich ehrenhaften Vorfahren hatte ihn der Legende nach einem Anführer der Muselmanen im Kampf um die heilige Stadt aus der Hand geschlagen und mit ihm den Sieg über die Ungläubigen erzwungen.
«Wer bist du», fuhr Bruder Wolf den heruntergekommenen Prediger an, «dass du es wagst, den Namen unseres Herrn und Erlösers in dein schmutziges Maul zu nehmen?»
Der Ton war barsch, angriffslustig, und der Prediger tat gut daran, den Rückzug anzutreten.
«Niemand, mein Herr.»
Er winkte seinen kleinen Helfer herbei, die Kollekte sofort einzustellen und schnellstens mit ihm in den umliegenden Gassen zu verschwinden.
«Ich bin nur ein einfacher Diener des Allmächtigen. Gebt Euch nicht mit mir ab, es lohnt sich nicht.»
Mit dem Jungen am Kragen hastete er auf die rettende Gasse zu.
«Bleib stehen, du Hund», rief Bruder Wolf ihm nach, «ich bin noch nicht fertig mit dir!»
Er gab seinem Pferd die Sporen, das einen Satz nach vorne machte und dabei zwei Umstehende zu Boden warf. Die anderen stoben auseinander.
Jakobus konnte nun nicht länger zusehen. Er musste eingreifen, bevor Schlimmeres geschah. Er hastete über die Straße.
Im Dunkel der Gasse sah er, wie der flüchtende Prediger niedergeritten wurde. Der Junge rettete sich an die Hauswand, verschränkte die Arme über dem Kopf, um sich vor den Hufen zu schützen.
«Haltet ein!», rief Jakobus. «Um Himmels willen, verschont diesen
Weitere Kostenlose Bücher