Die Kinder des Teufels (German Edition)
Nachbarn stehen. Sie sprachen mit geduckten Köpfen, verschwörerisch, den Blick misstrauisch zur Seite. Im Schnee erkannte er zahlreiche Spuren, die vom Haus weg- und hinführten, anders als bei den übrigen Häusern auf seinem Weg.
«Guten Morgen», grüßte Jakobus und bemühte ein Lächeln.
Ohne Erfolg. Die Nachbarn nickten verhalten und mit ernster Miene.
Einer wies hinauf zum Fenster. «Klara ist krank. Beeilt Euch, bevor es zu spät ist.»
«Da hilft auch kein Rosenkranz und Weihwasser mehr», widersprach ein anderer. «Die Klara hat der Teufel geholt.»
«So schlimm wird es schon nicht sein. Hat jemand den Doktor verständigt?»
Achselzucken, betretenes Schweigen.
«Na, dann wollen wir mal sehen, was ihr fehlt.»
Er öffnete die Tür. Als Erstes bemerkte er einen seltsamen Geruch. Es roch nach … verbrannten Federn oder Wachs oder beides in einem. Im dunklen und kurzen Flur war niemand zu sehen. Alle Läden waren geschlossen. Das Tageslicht fiel aber auf die Stiege.
«Klara», rief Jakobus, «wo bist du?»
«Hier oben», antwortete eine fremde, männliche Stimme. Wenn schon nicht Klara, dann hätte ihre alte Mutter antworten müssen. Im Haus lebte kein Mann. Der Hausherr war vor vielen Jahren an der Pest gestorben, hieß es unter den Leuten. Aber das war nicht der wahre Grund seines plötzlichen Verschwindens. Gerüchte, dass der Beelzebub ihn geholt hatte, gingen um.
Jakobus nahm die Stufen. Der Geruch wurde stärker, ging die Nase hoch, kribbelte, stach. Er fuhr sich mit dem Ärmel über Mund und Nasenflügel. Himmel, war das beißend.
Die Treppe mündete in eine Kammer, dahinter musste eine zweite sein, in der die Mutter und der verstorbene Vater gelebt hatten. Er war noch nie hier oben gewesen. Wenn er Klara besucht hatte, traf er sie immer unten in der Küche.
Im Türstock stand ein Mann, ganz in Schwarz mit weißer Halskrause. Es war Meister Marthin, der neue Apotheker. Sein Gesicht war blass, der Blick unstet.
«Gut, dass Ihr da seid», sagte er erschöpft. «Ich wusste mir nicht anders zu helfen.» Mit einem Fingerzeig befahl er ihn in die Kammer.
Jakobus folgte ihm. Klaras Schlafzimmer war dunkel, der Fensterladen geschlossen. Überall standen brennende Kerzen. Aus einer Schale entwich Rauch. Er schnupperte. War das Salbei, Wacholder? Irgendwoher kannte er diesen Geruch. In der Ecke saß Klaras Mutter, in sich versunken, den Rosenkranz um die Finger gewickelt, Gebete murmelnd. In der anderen Hand hielt sie eine schwarze Feder. Sie führte damit seltsame Bewegungen aus, als wollte sie Zeichen in die Luft malen. Die Haube, die ihr weißes Haar bedeckte war nach hinten geschoben, die Augen halb geöffnet, auf das Bett vor ihr gerichtet.
Darauf lag Klara. Er sah sie im Nachthemd, das ehemals weiß, aber nun mit zahlreichen Blutflecken versehen war. An den Beinen, den Händen, sogar am Hals sah er Kratzwunden. Und selbst jetzt pflügten ihre Fingernägel über die Arme, obwohl schon alles aufgekratzt war.
«Ich habe ihr Baldrian gegeben», sagte der Apotheker, «Hopfen, Lavendel, Melisse. Habe ihr kalte und warme Wickel gemacht, Blut abgelassen, sie geschröpft. Nichts hilft.» Seine Stimme klang brüchig, nervös, ein Stück hoffnungslos. «Die Alte sagt, da kann nur noch einer helfen.»
Ein Priester, ein Beichtvater, Jakobus.
Er trat ans Bett, Apotheker Marthin, erleichtert, fast schon ehrfürchtig zur Seite.
Die Haare Klaras waren zerzaust, der Atem ging schnell, die Augen irrten von einer Stelle an der Decke zur anderen. Ihr Körper zitterte, bäumte sich auf, fiel erschlafft zurück. In den Mundwinkeln klebte Blut.
Er legte die Hand auf ihre Stirn. Sie war nassgeschwitzt, kalt, aber irgendwie auch warm. So etwas hatte Jakobus noch nie gesehen, selbst bei den vielen Pestopfern der letzten Jahre nicht.
«Was ist mit ihr geschehen?»
«Ich weiß es nicht», gab Marthin zurück. «Die Alte hat mich in den Morgenstunden geholt, sagte, ihrer Tochter gehe es schlecht. Sie habe sich übergeben, wirres Zeug geredet, geschrien und geflucht, wie sie es ihr Leben lang von ihr nicht gehört hat. Dabei soll sie so fromm sein.»
Das konnte Jakobus bestätigen. Die Jungfer Klara war ein Vorbild gottgefälligen Lebens. Sie ließ keinen Gottesdienst aus, ging zur Beichte, spendete und kümmerte sich barmherzig um Kranke und Sterbende. Einzig einen Ehemann hatte sie nicht finden können, mit dem sie viele Kinder für Kirche und Glauben hätte gebären können.
Was konnte er nur tun?
Die
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