Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Teufels (German Edition)

Die Kinder des Teufels (German Edition)

Titel: Die Kinder des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
Vom Netzwerk:
hatte ihn Jakobus gerufen.
    «Ruft alle Knechte und Soldaten zusammen, die unter Eurem Befehl stehen. Wir suchen nach dem Kind, das unter dem Teufelsauge geboren wurde. Wir werden es töten. Ein für alle Mal.»

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    Durch das Maintal pfiff ein frostiger Wind. Was nicht am Boden festgefroren war, wurde aufgescheucht und davongetragen.
    Die Karren mit den Verurteilten zwängten sich durch das enge Sandertor. Sie hatten Vorrang vor allen anderen; in den Kerkern warteten schon die nächsten, deren Seelen im Feuer gereinigt werden mussten.
    Kathi hielt Abstand zu den klappernden Fuhrwerken. Sie wollte nichts mit den frierenden und geschundenen Körpern auf den Ladeflächen zu tun haben. Nicht weil sie kein Mitleid empfand, es war mehr die Furcht, erneut in den Sog der Hexerei gezogen zu werden, wenn sie ihnen zu nahe kam. Sie hielt den Kopf gesenkt und achtete nur auf ihren Weg. Bald würden die armen Kreaturen brennen, bald wären sie erlöst. Sie konnte nichts mehr für sie tun, außer vielleicht beten. Doch selbst die Worte für ein Gebet waren ihr in letzter Zeit abhandengekommen.
    Wofür beten, wenn alles dem Untergang geweiht war ?
    Alles bis auf Michael. Er war wirklich. Für ihn lohnte es sich zu kämpfen. Es vergingen kein Tag und keine Nacht, ohne dass sie für sein Wohlergehen betete. Der Adressat war aber ein anderer, ein gütiger, allmächtiger Gott, einer, der nichts mit dem Bild zu tun hatte, das sich die Menschen von ihm machten. Kathi stellte sich ihn als eine Wolke vor, unbefleckt und unantastbar, fruchtbar und allgegenwärtig. Eine Wolke stand über den Menschen, konnte ihre Felder sprengen oder sie verdorren lassen. Sie blieb von irdischen Vorstellungen und Erwartungen unberührt.
    Kathi hatte Michael für ihren Ausflug warm eingepackt. Sie trug ihn vor der Brust, unter ihrem Umhang war er geschützt vor dem eisigen Wind. Noch immer ging sie neben den Karren her, obwohl sie das gar nicht wollte. Doch die Straßenseite zu wechseln war gefährlich, der Untergrund war glatt und gefroren. Niemand achtete auf irgendetwas, und schon gar nicht auf ein Mädchen.
    Der Wind wehte den Geruch der Scheiterhaufen vom Sanderanger herüber. Wer einmal verbranntes Menschenfleisch gerochen hatte, vergaß es nie mehr. Kathi zog den Schal über Mund und Nase enger. Ihre Augen jedoch blieben frei, und die Bilder, die sich davorschoben, konnte sie nicht abwehren. Flammen ringsum, an den Füßen zuerst, dann an den Schenkeln, züngeln hinauf zu Bauch, Brust und Kopf. Der verzweifelte Kampf gegen die Fesseln und der Rauch in Augen und Lungen. Haare brennen wie Zunder, das Fleisch verkohlt, Blut kocht in den Adern. Das Flammenmeer stürzt über sie zusammen, verschlingt sie.
    Übrig bleiben in sich gekrümmte Körper, deren Gliedmaßen wie verbrannte Äste aussehen. Und über allem das Gejohle der Menge, die ausdruckslosen Mienen der Hexenkommissare und die Stille, wenn die Feuer erloschen sind.
    Schon kommt der nächste Karren …
    Da krachte und polterte es plötzlich. Ein Karren rutschte auf dem gefrorenen Untergrund weg, knallte gegen einen Stein. Kathi reagierte schnell, sprang zur Seite, geriet aber mit dem Rücken zur Wand, sodass sie zwischen Karren und Mauer eingeschlossen war. Die Holme des Karrens waren keine Armlänge mehr entfernt. Das Wagenrad reichte ihr bis zum Kinn. Sie hörte die Peitsche schnalzen, den Kutscher schimpfen, die Ochsen maulen. Ein unglücklicher Versuch, das Fuhrwerk wieder in die Spur zu bringen, würde ausreichen, sie und Michael zu zerquetschen.
    Da spürte sie etwas. Michael zuckte in ihren Armen, sie öffnete die Augen. Zwischen den Holmen stach eine dürre, blutverkrustete Hand hervor. Dahinter die Fratze eines Mannes, geschunden und zerschlagen. Er hatte Michael gepackt, zerrte und rüttelte an ihm.
    «Hilf mir.» Seine Stimme verzweifelt und heiser. «Hilf …»
    Kathi verstand nur dieses eine Wort, und selbst das konnte sie in diesem Moment nicht erweichen. Sie schlug auf die Hand ein.
    «Lass los!»
    «Erbarmen …»
    «Ich kann dir nicht helfen.»
    «Erbarmen.»
    Mit einem Ruck zog der Karren wieder an, das Wagenrad sprang aus dem Loch und ließ eine verschreckte, bis in die Glieder zitternde Kathi zurück.
    «Steh hier nicht rum!», fuhr sie ein Stadtknecht an. «Geh weiter.»
    Er ging am Ende des Zugs, mit einer Pike in der Hand, um Übergriffe auf die Verurteilten abzuwehren. Doch mittlerweile gab es nichts mehr abzuwehren. Noch vor einem halben Jahr

Weitere Kostenlose Bücher