Die Kinder des Teufels (German Edition)
packte ihr Kind wieder ein und stellte sich in die Reihe beim Schreiber an.
«Die Nächste.»
Antonius blickte zum Fenster und sah, wie die Stadtknechte aufgebrachte Bürger abwehrten. Das ging nun den ganzen Vormittag schon so, ohne dass sie auch nur eine Spur von diesem vermaledeiten Kind hatten finden können. Und auf die Denunziationen, die die Frauen dem Schreiber in den Federkiel diktierten, gab er ohnehin nicht viel. Es musste einen anderen Weg geben.
Wieder schäumte die Bürgerwut hoch. Die Knechte kamen mit neuen Kindern, und wenn er sich nicht täuschte, wurden sie von Crispin angeführt. Aber in seiner Begleitung war noch jemand.
«Mach ohne mich weiter», sagte er zur Hebamme.
Er zwängte sich durch die Wartenden hinaus in den Hof. Crispin befehligte die Mütter mit ihren Kindern in die Amtsstube, er selbst zog sich mit zwei Männern ein paar Schritte zurück. Unter ihnen erkannte er den Kanzler Dr. Brandt und an dessen Seite den Mann, den sie bei ihrer Ankunft im Audienzzimmer des Bischofs kennengelernt hatten – den Generalvikar und Stellvertreter des Bischofs in allen geistlichen Belangen, Dr. Riedner. Er hatte sie willkommen geheißen. Worin die angekündigte Zusammenarbeit genau bestand, sollte im Laufe des Nachmittags besprochen werden.
«Bruder Antonius», sagte Crispin, «Ihr kommt gerade recht. Die beiden Herren haben etwas mit uns zu besprechen.»
Antonius nickte freundlich.
«Um was es sich handelt, haben sie jedoch bislang verschwiegen.»
Die Worte waren eine Aufforderung, und Crispin gab sie an Brandt und Riedner weiter.
«Es ist etwas delikat», antwortete der Kanzler, «zumal der Bischof nicht auf der Burg weilt. Da Ihr aber Gesandte des Heiligen Vaters seid, würden wir Euren Rat in der Sache begrüßen.»
Crispin nickte. «Wenn es in unserer Macht steht.»
Generalvikar Riedner bestätigte es. «In dieser heiklen Angelegenheit gilt es diskret vorzugehen, zumal hochgestellte Würdenträger darin verwickelt sind.»
Antonius merkte auf. « Hochgestellte Würdenträger … Was meint Ihr damit? Welchem Verbrechen sollen sie sich schuldig gemacht haben?»
«Es ist ratsam, wenn Ihr Euch selbst ein Bild von der Lage macht. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt.»
Er ging in die Kanzlei zurück, allerdings nicht in den Raum, in dem die Neugeborenen begutachtet wurden, sondern in einen weitaus ruhigeren, geheimnisvolleren.
«Ich habe Dr. Faltermayer, einen bewährten Hexenkommissar, dazugebeten.»
«Aus welchem Grund?», fragte Antonius.
«Geduldet Euch einen Moment, Ihr werdet gleich sehen, warum.»
Er öffnete die Tür. Inmitten des Raums kniete ein Mann auf einer roten Steinplatte, vornübergebeugt, den Kopf hängend, eine Tonsur auf dem Kopf. An seiner Seite stand ein Mann, dessen Aufmerksamkeit zur Tür wechselte, als sie sich öffnete. Er war von stattlichem Körperbau. Sein Gesicht war in einen schwarzen Bart gefasst, der erste graue Stellen zeigte. Die Gesichtsfarbe war fahl wie die winterliche Jahreszeit, sein Blick stechend und klar. Offenbar fühlte er sich gestört, doch als er Riedner und den Kanzler erkannte, fasste er sich schnell.
Er trat einen Schritt von der roten Platte zurück.
«Meine Herren», begrüßte er sie und deutete eine Verneigung an.
«Meister Faltermayer», erwiderte der Kanzler. Die beiden kannten sich gut, und der Respekt voreinander war in den vergangenen Monaten nicht geschwunden. Auch dann nicht, als der Bischof seinen ersten Hexenjäger im Zuge der Kinderhexenprozesse suspendiert hatte. Faltermayer hatte in die eigene Tasche gewirtschaftet und dem Bischof viel Geld vorenthalten. Daraufhin war er in Ungnade gefallen, letztlich aber rehabilitiert worden. Auf die Schläue Faltermayers konnte und wollte der Bischof bei der Hexenjagd nicht verzichten.
«Darf ich Euch Bruder Crispin und Bruder Antonius vorstellen? Sie sind im Auftrag des Heiligen Stuhls bei uns.»
Faltermayer nickte höflich, wenngleich er kühl wirkte.
«Euer Hochwürden.»
Die Frage nach dem genauen Grund ihrer Anwesenheit schien ihm auf den Lippen zu liegen. Doch er wartete ab.
Riedner wies die Herren an, sich im Kreis um den am Boden Knienden aufzustellen.
«Das ist Vikar Ludwig», begann er, «vormals Angehöriger des Stifts zu Neumünster, nun bei Stift Haug. Er ist ein frommer und aufrichtiger Diener unseres Herrn, der bislang keinen Grund zur Klage gegeben hat.»
Es folgte eine Litanei seiner Verdienste, doch Crispin interessierte das nicht. Er war unruhig, wollte
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