Die Kinder des Teufels (German Edition)
Logik und setzte das Heilsversprechen des Evangeliums außer Kraft. Vielleicht machte er auch einen Denkfehler, und die Lösung der bohrenden Fragen war einfacher als gedacht.
Die Kanzlei kam in Sichtweite. Sie lag inmitten des hochaufstrebenden Doms und der weitläufigen Stiftsanlage von Neumünster. Gleich neben der Kanzlei hatte sich die kleine St.-Briccius-Kapelle in das Ensemble gezwängt. Dort hatte Crispin tags zuvor noch gebetet.
Je näher er der Kapelle kam, desto augenscheinlicher wurde, dass etwas an der Kirchentür befestigt war. Es waren zwei Stäbe, zu einem Kreuz zusammengenagelt, kopfüber nach unten hängend, einem Petruskreuz gleich. Und da war noch etwas anderes. Das Kreuz war in Blut getaucht. Es war noch frisch und ließ sich zwischen den Fingern zerreiben.
Wer um alles in der Welt macht so etwas?
Crispin schaute sich um, die lange Domstraße hinunter, an Neumünster vorbei. Niemand war zu sehen.
Das aufrecht stehende Kreuz symbolisierte zum einen den Opfertod Jesu Christi, zum anderen die Verbundenheit des Menschen mit der Erde und mit Gott. Es wies die Richtung, und die war himmelwärts.
Das auf den Kopf gestellte Kreuz verkehrte alles ins Gegenteil. Der Opfertod Jesu resultierte nicht in der Auferstehung, sondern in der ewigen Verdammnis. Der Pakt zwischen Gott und seinen Menschen, das Heilsversprechen, war aufgekündigt. Das Kreuz zeigte in Richtung Hölle.
Oben ist unten, unten ist oben.
Der Teufel stellte alles auf den Kopf, verkehrte alles ins Gegenteil. Das war seine Natur, daran konnte man ihn und seine Hexen erkennen. Die vom Glauben Abgefallenen, die Abtrünnigen brauchte der Teufel nicht mehr zu verführen, die hatte er schon. Sein Ziel mussten also die Gottesfürchtigen sein.
Und an dieser Kirchentür war sein Zeichen befestigt – als Vorankündigung der teuflischen Herrschaft. Das konnte eine Antwort auf seine Fragen sein.
Crispin betrat den Gerichtsraum. Riedner saß an einem Tisch. Dieses Mal nicht alleine, er hatte Unterstützung mitgebracht. Es handelte sich um drei weitere Geistliche, wobei der eine als offizieller Ankläger auftrat und die anderen zwei als Beisitzer. Riedner war dafür in das Amt des Richters gewechselt.
Der Kommission gehörte auch der bewährte Hexenjäger Dr. Faltermayer an. Er war für dieses Gericht unverzichtbar. Auf welche Weise würde sich noch zeigen.
Die Stimmung war auch dieses Mal angespannt. Crispin grüßte die Anwesenden daher nur kurz und begab sich wie mit Riedner abgesprochen in den Hintergrund. Von dort aus konnte er ungestört beobachten – Erthel zum Beispiel, den Malefizschreiber, der Tinte und Papier zurechtlegte, um das folgende Verhör in vollem Umfang aufzeichnen zu können.
Er stand keine Armlänge entfernt, und so konnte Crispin sehen, wie der erste Eintrag ins Malefizbuch lautete.
Es war eine Rechnung über zehn Gulden, die der Wirt vom Gasthaus Stern zur Begleichung vorgelegt hatte. Neben reichlich Wein, Brot, Käse und Schinken hatte Gottfried sich auch eine Gans zum Abendessen in die Haft liefern lassen. Das ebenfalls opulente Frühstück war noch nicht mitgezählt. Erthel zeigte sich verwundert, woher der Wirt die feinen Speisen nahm. Auch Crispin war davon ausgegangen, dass das Volk wegen der Knappheit von Lebensmitteln hungerte. Aber anscheinend gab es für die hohe Geistlichkeit noch andere, bisher unbekannte Bezugsquellen.
Noch war Gottfried vor dem Gericht nicht erschienen. Dafür ein anderer – Bruder Ignatius, Jesuit und neu bestellter Beichtvater des Angeklagten.
«Er hat Gottfried noch am Abend konsultiert», flüsterte Erthel ihm zu, «und gleich heute Morgen wieder.»
Was genau der Jesuit in Erfahrung hatte bringen können, taugte offenbar für die Feder Erthels nicht. Im Malefizbuch gab es darüber keinen Eintrag. Für Riedner und den Ankläger – Erthel beschrieb ihn ebenfalls als zu Stift Haug gehörig, ein Mann namens Zacharias Stumpf – war der Bericht von Ignatius hingegen höchst interessant. Sie steckten die Köpfe zusammen, tuschelten. Crispin konnte nicht hören, worüber sie flüsterten. Fest stand, es handelte sich um etwas Vertrauliches, Geheimes, das nicht für die Ohren der anderen, weltlichen Herrn im Raum bestimmt war.
Da öffnete sich die Tür. Gottfried wurde von zwei Knechten hereingeführt und auf die rote Platte – den Schutzstein – gestellt. Obwohl er auch dieses Mal Abstand zu halten versuchte, gelang es ihm nicht. Die Knechte postierten sich links und rechts neben
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