Die Kinder des Teufels (German Edition)
solle darin lesen. Was ich aber nie gemacht habe.»
«Und dass Ihr am geheiligten Sonntag einem zottigen Hund das Fell geschoren habt, das stimmt wohl auch nicht?»
Was war das für ein seltsamer Vorwurf?
«Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.»
«Ist es nicht allgemein bekannt, dass der Teufel von seinen Priestern ein entsprechendes Messgewand verlangt? Das eines zottigen Bocks, das ihn so aussehen lässt wie der Teufel selbst?»
«Ich weiß nichts davon. Völliger Unsinn.»
«Man behauptet aber, Euch im Gewand eines zottigen Bocks gesehen zu haben, wie Ihr hinunter zum Sanderanger gegangen seid, mitten in der Nacht, in Begleitung eines nackten Weibs.»
«Nie habe ich ein derartiges Gewand getragen, noch war in meiner Begleitung je ein nacktes Weib.»
Der Malefizschreiber Erthel musste an sich halten, damit ihm der Spott nicht über die Lippen kam.
Stumpf überging es. «Aber dass Ihr mitten in der Nacht zum Sanderanger gegangen seid, das stimmt schon?»
«Nein, natürlich nicht.»
«So kommen wir nicht weiter», seufzte Stumpf. «Alle wollen gelogen haben, nur Ihr sprecht die Wahrheit.»
«Weil es die Wahrheit ist.»
Stumpf wandte sich an Riedner mit fragendem Blick. Schließlich ein Nicken. Auf Befehl trat ein Folterknecht in die Mitte. Er hatte eine Peitsche und eine Daumenschraube mitgebracht.
«Solltet Ihr weiterhin dem Gericht die Wahrheit vorenthalten», sagte Stumpf und wies auf die Folterinstrumente hin, «dann bin ich gezwungen, Euch anderweitig gefügig zu machen. Wollt Ihr das?»
Beim Anblick von Peitsche und Daumenschraube wurde Gottfried totenbleich. Er schluckte schwer und schaute sich ratsuchend um. Aber Crispin konnte ihm nicht helfen, denn Gottfried war bereits verloren. Er wusste es nur nicht.
«Ihr könnt keinem Priester die Folter androhen», stotterte Gottfried. «Das geht nicht, das ist verboten.»
«Ihr lasst mir also keine andere Wahl», beschied Stumpf. «Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, bedarf es anderer Mittel. Mittel, die mir und meinen Brüdern nicht zustehen. Ich übergebe hiermit Gottfried von Weyhenstein in die Hände unseres erfahrenen Kommissars Dr. Faltermayer.» Er wandte sich ihm zu. «Findet die Wahrheit heraus. Tut dem ehrwürdigen Bruder Gottfried aber nichts zuleide. Kein Schmerz soll ihm zugefügt werden.»
Der letzte Satz diente allein der Form und war streng genommen eine Lüge. Die Geistlichkeit konnte die Folter an einem Bruder nicht gutheißen, geschweige denn sie selbst durchführen. Das mussten andere für sie erledigen. Damit wuschen sie ihre Hände in Unschuld.
Schlagartig wurde sich Gottfried seiner Lage bewusst. Bisher hatte er geglaubt, kein weltliches Gericht würde einen Geistlichen foltern. Nun aber war er ausgeliefert worden, unter Protest zwar, aber was nützte schon diese Scheinheiligkeit?
Die Knechte packten ihn und führten ihn hinunter in die Folterkammer.
«Lasst mich los. Das dürft Ihr nicht tun. Ich bin Gottfried zu Weyhenstein, Domherr und …»
Aber das interessierte niemanden mehr.
Das hohe, geistliche Gericht war mit dem Verlauf des ersten Prozesstages zufrieden. Die Herren machten sich auf zum Gasthaus Stern. Dort wartete ein ausgiebiges Frühstück auf sie, das ihnen – wie jeder Hexenkommission – gestellt wurde. Die Rechnung ging zu Lasten des Angeklagten, wie auch der Lohn für die Mitglieder des geistlichen Gerichts.
«Bruder Crispin», sagte Riedner, «wollt Ihr uns nicht ins Gasthaus begleiten?»
Crispin lehnte ab. Er hatte Wichtigeres zu tun.
«Habt Dank für die Einladung», erwiderte er. «Ich muss sie jedoch ausschlagen. Die Suche nach dem Kind dauert noch immer an.»
«Ich hörte von einer Hebamme, die Ihr suchen lasst.»
«Sie steht in Verdacht, das Kind zur Welt gebracht zu haben.»
«Wenn Ihr mehr Männer braucht, dann gebt Bescheid.»
«Das will ich tun.»
Crispin verabschiedete sich. Er ging die Straße hinunter und ließ sich das Verhör noch einmal durch den Kopf gehen. Fadenscheinige Aussagen Verstorbener und die wirren Phantastereien eines kranken Vikars würden andernorts kaum ernst genommen werden. Hier, in dieser Stadt, reichten sie aber aus, um einen Bruder in die Hände der Folterknechte zu geben. Das war nicht rechtens, und die Kommission war nicht dumm. Was ging also hier vor?
Sollte etwa ein Exempel statuiert werden, um andere, vom Weg abgekommene Geistliche zu warnen, dass ihnen das gleiche Schicksal drohte wie Gottfried, wenn sie nicht an sich hielten?
Das war ein
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