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Die Kinder des Teufels (German Edition)

Die Kinder des Teufels (German Edition)

Titel: Die Kinder des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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gefährliches Unterfangen, und Riedner wusste davon, er hatte ihn ja selbst um Rat gefragt.
    Hier wurde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.

    Der Himmel über Würzburg war inzwischen überraschend klar geworden, nur ein paar kleine Wolken verstellten ein vielversprechendes, helles Blau. Indes, die Luft war schneidend kalt, ließ Nase und Wangen frieren, hatte aber den Vorteil, den Kopf auf frische Gedanken zu bringen. Und die brauchte Crispin auch, denn Antonius hatte sich aus der Begutachtung der Kinder zurückgezogen. Diese Aufgabe hatte er einer Hebamme übertragen, der er nicht lange zu erklären brauchte, wonach sie suchten. Denn die Beschreibung des Mals war eindeutig – 666, die Zahl des Teufels.
    Stattdessen hatte Antonius sich unters Volk begeben, um von innen heraus , so hatte er sich ausgedrückt, dieses vermaledeite Kind ausfindig zu machen. Irgendjemand musste ja etwas wissen, niemand konnte ein Kind unbemerkt aufziehen. Es gab immer Nachbarn, die das Gezeter eines Neugeborenen nach Essen und Wärme hörten, Ammen, die beim Stillen aushalfen, und es gab sicherlich auch einen Freund der Mutter oder der Familie, der mit seinem Geheimnis nicht länger an sich halten konnte. Absolute Geheimhaltung gab es auf dem engen Raum einer Stadt nicht.
    Wie recht er hatte. Antonius hätte ein guter Kundschafter seiner Kongregation sein können, wenn er nicht gerade dem Orden der Jesuiten angehörte. Er traute ihnen nicht, und ohne Vertrauen gab es keine Zusammenarbeit.
    Crispin war gespannt, ob Antonius’ neue Strategie zum Erfolg führen würde. Solange er ihm nicht in die Quere kam, sollte er nur machen. Am Ende des Tages würde sich zeigen, wer mit seiner Vorgehensweise der Glücklichere war.
    Der Weg führte ihn hinunter zum Main. Drüben auf der anderen Seite sah er Fischerboote, wie auf einem Faden aufgereiht, fest in der dicken Eisschicht des Flusses verankert, am Ufer die vielen kleinen Fischerhäuschen und darüber, mächtig in den Fels gehauen, die Burg des Bischofs. Noch immer weilte der Landesfürst in Schlüsselfeld, so der Kanzler, einem kleinen, abgelegenen Ort im Steigerwald, wo er die grassierende Seuche aussitzen wollte. Ein wahrer Hirte war er, ging es Crispin durch den Kopf, der seine Schafe den Wölfen preisgab, während er es sich in einem Jagdschloss bequem machte.
    Diesseits der Burg herrschte bittere Armut. Aus den Häusern drangen nicht wie erwartet die Gerüche der Küchen, sondern das Geschrei der Frauen, denen die Neugeborenen aus den Armen gerissen wurden. Die Knechte gingen noch immer rücksichtslos und unbarmherzig vor. Während der eine das Kind ergriff, hielt der andere die wütenden Väter und Brüder mit der Pike auf Abstand. Blut floss, Tränen sowieso, Flüche und Verwünschungen wurden laut, auch die Rache für den Frevel, der seit Herodes beispiellos war, würde bald über den Bischof und seine Knechte kommen.
    Verflucht seid ihr!
    Crispin konnte nicht umhin, für die bedauernswerten Mütter und Väter Mitleid zu empfinden. Hoffentlich war dieser gotteslästerliche Auftrag bald zu Ende.

    Nur ein paar Häuser entfernt saß Antonius am Bett eines fiebrigen Jungen. Anders als befürchtet, war er nicht von der rätselhaften Krankheit befallen, sondern von einer gefährlichen und vor allem ansteckenden Influenza, der male mattone, der wütenden Krankheit, wie sie in Rom genannt wurde.
    Der Junge glühte förmlich, sein Gesicht wie der übrige Körper waren ausgezehrt, er schlotterte, hustete, keuchte und war mehr tot als lebendig. In der Tür stand seine Mutter, die Augen feucht, die Hoffnung auf eine baldige Genesung geschwunden. Antonius wrang einen Lappen mit kaltem Wasser aus und legte ihn dem Jungen auf die Stirn. Dann erhob er sich.
    «Leg ihm weiterhin kalte Umschläge auf», riet er ihr, «das macht es ihm leichter, und vielleicht sinkt das Fieber auch.» Aber davon war nicht auszugehen. Eine Influenza dieser Art überlebte niemand, erst recht nicht, wenn er seit Wochen nichts Anständiges zu essen bekam. Der Junge würde sterben, so wie viele andere auch, für die es keine Medizin gab.
    Die Frau ergriff Antonius’ Hand, sank auf die Knie und küsste sie. «Habt Dank, Euer Hochwürden für die Hilfe, und bitte, schließt meinen Jungen in Eure Gebete ein.»
    Antonius nickte. Ja, das würde er tun, wie die andern zehn Todeskandidaten auch, die er an diesem Morgen aufgesucht hatte. Überall das gleiche Bild – Elend, Not, Verbitterung und Hoffnungslosigkeit. Alte und

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