Die Kinder des Teufels (German Edition)
hinaus.
«Volkhardt, bleib hier.»
«Flieht», röchelte Ambrosius.
«Nicht ohne dich.»
«Lass mich …»
Ein Knurren drang herein. Kathi fuhr herum. Sie sah Volkhardt in der Tür stehen. Draußen im Dunkeln zwei Augen, weiße Zähne, tropfender Geifer. Der riesige Hund machte einen Satz. Volkhardt stach zu. Der massige Körper fiel zu Boden. Ein Winseln, Blut floss.
«Nimm Michael», schrie Volkhardt über die Schulter. «Los, beeil dich!»
Kathi verstand nicht. «Aber … Ambrosius?»
«Komm jetzt. Wir müssen verschwinden. Es sind noch mehr.»
[zur Inhaltsübersicht]
16
Die Reiter waren noch am Abend ins Taubertal aufgebrochen, um die Hebamme Lioba ausfindig zu machen und sie auf schnellstem Weg nach Würzburg zurückzubringen.
Von Bruder Jakobus war keine Hilfe mehr zu erwarten. Er war unter großen Schmerzen in den Morgenstunden gestorben. Auf dem Weg in die Hölle hatte er noch sechs Geistliche, vier Erwachsene und drei Kinder des Pakts mit dem Teufel bezichtigt.
Einer der beschuldigten Geistlichen war Gottfried von Weyhenstein, ein anderer Wolf von Schanzenfeldt, Bruder Wolf.
Crispin hatte die beiden Stiftsherren nur kurz kennengelernt. Sie hatten alles andere als einen zufriedenstellenden Eindruck auf ihn gemacht. Ihr ausuferndes und nicht zu akzeptierendes Verhalten, für das sie vom Bischof bereits mehrmals gerügt worden waren, hatte die Aufmerksamkeit der Bürger auf sie gezogen. Sie galten als zügellos, anmaßend und des geistlichen Stands nicht würdig, Bruder Wolf gar als brutal und gefährlich.
Es überraschte Crispin daher nicht, dass sich die ersten Anschuldigungen gegen sie gerichtet hatten und nicht gegen Jakobus und Ludwig, die vom Volk geschätzt wurden. Andererseits hatte der böse Geist nicht Gottfried und Bruder Wolf befallen – was eigentlich zu erwarten gewesen wäre –, sondern Jakobus und Ludwig.
Wie passte das zusammen?
In unserer Stadt geht ein böser Geist um. Er befällt die guten und verschont die schlechten Seelen.
Das waren die Worte des Wirts gewesen.
Jeder, der das Knie vor Gott, unseren Herrn und Erlöser beugt, ist des Todes.
Das klang nach einer Drohung. Was ging hier vor?
Seit dem Morgengebet gingen Crispin diese Gedanken durch den Kopf, und er fand keine zufriedenstellende, logische Antwort darauf. Konnte es sein, dass er in dieser Stadt tatsächlich auf eine Manifestation des Bösen gestoßen war?
Dann war es das erste Mal in seiner langen Laufbahn als Glaubenswächter. Nach dem ersten Schein, wenn sich der Nebel aus Lügen und Schauspielerei gelichtet hatte, kam gewöhnlich die schnöde Wahrheit an den Tag: Das, was als böse, verflucht oder verhext dargestellt wurde, war ein Gespinst aus Neid, Hass, Vergeltung und auch aus Angst. Das waren durchweg menschliche Verfehlungen und hatten mit dem Jenseitigen – gleich welcher Richtung – nichts zu tun.
Aber es gab noch eine andere Erklärung: die Unwissenheit.
Wer bei einem Gewitter einen Blitz niederfahren sah, wie er in einen Baum einschlug, konnte das leicht als Gotteshandlung verstehen, so wie es die Gerüchte beim Sinneswandel Martin Luthers berichteten. Die Folgen waren bekannt. Sie resultierten in Auflehnung, Tod und Verderben. Nicht auszudenken, was erst passieren würde, wenn Galilei sein verfluchtes Sonnensystem der Welt vorstellte.
Crispin eilte durch die morgendlichen Gassen. Es war noch dunkel und noch immer frostig kalt. Sein Ziel war die Kanzlei des Bischofs, wo die Befragung Gottfried von Weyhensteins stattfinden sollte. Er war offiziell nicht geladen, erbat sich von Riedner aber die Erlaubnis, an der Befragung teilnehmen zu dürfen. Nicht dass ihn die abstrusen Vorhaltungen und die erpressten Antworten in irgendeiner Weise interessierten, er wollte die Ohren spitzen und herausfinden, ob es einen neuen Ansatzpunkt für seine Nachforschungen gab. Der Hinweis mit dem Schankmädchen war aus eben so einem Gespräch entstanden.
Und wieder drängten sich ihm die Gedanken und Fragen um Gottfried und Bruder Wolf auf. Die beiden hatten seit längerer Zeit keine Kirche mehr besucht. So hatte es Riedner ihm berichtet. Ihr Zuhause waren die Gasthäuser und die Straßen. Von Demut, Ehrfurcht und Hingabe ihres Amtes fehlte jede Spur.
Ludwig und Jakobus hingegen waren gottesfürchtige und barmherzige Priester, die ihren Dienst an Gott und seinem Volk täglich unter Beweis stellten.
Warum wurden ausgerechnet sie vom bösen Geist befallen und nicht Gottfried und Wolf? Das war gegen jede
Weitere Kostenlose Bücher