Die Kinder des Teufels (German Edition)
realisiert, was es hieß, wenn die Knechte nach ihr suchten. Kinder waren verletzt worden und zu Tode gekommen, Familien wurden auseinandergerissen.
Gütiger Gott, das hatte sie wahrlich nicht gewollt. Und selbst jetzt, während sie hier lag und darüber nachdachte, würden die Knechte des Bischofs weiter unnachgiebig nach ihr und Michael suchen. Das Unglück ging weiter, und sie war der Grund dafür.
Was sollte sie nur tun, damit das aufhörte?
Michael lag in ihren Armen. Er atmete leise und regelmäßig. Für ihn würde es den Tod bedeuten, wenn sie sich stellte. Das konnte sie nicht zulassen. Niemals.
Andererseits, je länger die Jagd nach ihm andauerte, desto mehr Leid würde über die Menschen kommen. Das konnte sie nicht länger dulden.
Sie musste eine Entscheidung treffen.
Hinter ihr spürte sie eine Bewegung. Es war Volkhardt, der sich eng an sie gekuschelt hatte. Sie genoss seine Nähe und seine Wärme in diesen Minuten des Zweifelns und der Gewissensbisse. Er gab ihr das Gefühl, beschützt und sicher zu sein. So wie damals, als ihre Eltern noch lebten und sie in ihre Mitte genommen hatten. Könnte Volkhardt ihr aus diesem Dilemma helfen? Vermutlich nicht. Es war ihre Entscheidung. Nur sie konnte sie treffen.
Zwei Reihen vor ihr tat sich etwas. Ein Kind rüttelte ein anderes. «Wach auf», klagte es, «so wach doch endlich auf.»
Kathi erhob sich, stieg vorsichtig über die schlafenden, kleinen Hügel hinweg.
«Was ist mit dir?», flüsterte sie ihm zu.
Es zeigte auf den Körper neben ihr, auf ein Mädchen. Kathi erkannte es sofort an dem bandagierten Fuß. Es war das Mädchen mit dem Rattenbiss, den sie in der Nacht zuvor noch mit Beinwell behandelt hatte.
«Sie atmet nicht mehr.»
Kathi erschrak. «Das kann nicht sein.»
Sie legte dem Kind die Hand auf die Stirn und spürte nur Kälte. Hastig entfernte sie die Fußbandage.
Die Wunde sah keinen Deut besser aus als in der Nacht zuvor, eher schlimmer. Der Beinwell hatte nichts mehr bewirken können. Ihr Blut war vergiftet, hatte ihr alles Leben genommen.
Tränen traten in Kathis Augen. Sie schluchzte. Ihre Medizin hatte versagt. Sie hatte versagt.
«Du hast alles getan», sagte Volkhardt leise und nahm sie in den Arm. «Menschen sterben. Daran wirst du nichts ändern können.»
Der Trost war gut gemeint, konnte sie in diesem Moment aber nicht erreichen.
«Ich hätte mehr für sie tun müssen. Die Wunde richtig reinigen …»
«Womit denn?», erwiderte Volkhardt. «Wir haben ja nicht einmal sauberes Wasser und Tücher.»
«Aber …»
«Du hast selbst gesagt, das Mädchen muss in ein Hospital, sonst stirbt sie. Und du hast recht behalten.»
Sie weinte dennoch. Ihr erster toter Patient.
Um sie herum erwachten die Kinder. Sie erkannten schnell, worum es hier ging. Wieder war jemand aus ihren Reihen gestorben. Und es sollte nicht der Einzige bleiben. Zwei weitere blieben regungslos liegen, reagierten nicht auf Rütteln oder gute Worte.
«Deine Medizin hat überhaupt nicht geholfen», klagte ein Junge und meinte Kathi damit. «Du hast gesagt, die Kräuter würden helfen. Und jetzt sind sie tot.»
Ein weiteres Kind stimmte in die Klage ein. «Du hast sie gar nicht heilen wollen.»
«Hört auf mit dem Unsinn!» Volkhardt stand auf. «Jede Nacht stirbt ein Kind, und das schon seit Wochen. Kathi hat getan, was sie konnte.»
Er konnte sie nicht überzeugen.
«Lügner. Gestern haben sie noch gelebt, heute sind sie tot.»
«Sie hat uns vergiftet mit ihren Teufelskräutern.»
«Hexe!»
Die Knechte des Bischofs öffneten die Fensterläden. Um seinen Kopf trug Antonius einen Verband, der die Blutung nicht stillen konnte. Noch immer rann frisches Blut an seinen Schläfen hinab.
Aber das sollte sein geringstes Problem sein. Auch die Schmerzen, die er hatte, waren nichts gegen den Zorn, den er verspürte.
Letzte Nacht war er dem Teufelskind zum ersten Mal nahe gekommen. Er spürte es genau. Es war hier gewesen. Wie sonst war es zu erklären, dass er auf eine Horde Kinder gestoßen war, die es beschützten? Die dünnen Arme, die kleinen Körper, ihr widerlicher Gestank. Verdorbene kleine Teufel. Hätte er nur entschiedener zugepackt …
Antonius ging die Regale ab und suchte nach einem Hinweis, um die Spur wieder aufzunehmen. Einige Schubladen standen offen. Ihr Inhalt war entnommen. Auch die übrigen Büchsen, Gläser und Schachteln waren leer.
«War seit dem Tod des Apothekers jemand hier?»
Die Knechte verneinten. «Nein, Euer
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