Die Kinder des Teufels (German Edition)
entgehen. Nun war es doch geschehen. Der Fluch hatte ihn eingeholt, genauso wie die alte Witwe Betz, die mit allen Sterbesakramenten im Sommer begraben worden war. Sie musste wieder ausgegraben werden, um die geweihte Erde des Friedhofs nicht länger zu beschmutzen. Der Scheiterhaufen würde sich ihrer Gebeine annehmen.
Schweren Herzens gab Riedner die Liste an Erthel zurück.
«Alle ins Protokoll aufnehmen und vorführen lassen. Es wartet viel Arbeit auf uns.»
Die Tür ging auf. Gero von Wetterstein wurde von zwei Knechten hereinbugsiert und auf den Schutzstein gestellt. Anfassen wollten sie ihn nicht, er war ihnen unheimlich.
Denn das Gesicht, das er machte, war nicht mehr menschlich zu nennen. Aus dem Mund lief der Geifer, die Augen wirr und gehetzt, die Züge verzerrt, genauso wie es bei Vikar Ludwig und Bruder Jakobus gewesen war – die Teufelsfratze.
Ein Dämon hatte sich seiner bemächtigt. Das war beim besten Willen nicht zu leugnen. Wo sollte das noch hinführen?
Als Crispin aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, glaubte er, in der Hölle zu sein.
Welch ein Unglück. Ein erschlagener Stadtknecht, ein erstochener Vater und ein gemeucheltes Kind. Das Blut der drei war überall. Selbst er war davon befleckt, obwohl er ihnen nicht nahe gekommen war.
Laut Auskunft des Hausherrn hatte er Kathis frühere Wohnung erst tags zuvor an den alleinstehenden Mann vermietet, der seine Frau und Mutter des Kindes ans Kindbettfieber verloren hatte. Es war ein Köhler von außerhalb, der hoffte, in der Stadt ein besseres Leben für sich und sein Kind zu finden. Die Stadtknechte hatte er als solche wohl nicht erkannt, genauso wenig wie die Stadtknechte ihn, einen harmlosen Waldschrat, der einzig und allein sein Kind vor den Einbrechern schützen wollte.
Den ersten Stadtknecht, der sich ihm in den Weg gestellt hatte, hatte er mit einem Holzscheit den Schädel eingeschlagen. Der zweite nutzte die Gelegenheit und stach zu.
So weit ließ sich der Vorgang nachvollziehen. Wie allerdings das Kind in dem Trubel umgekommen war, konnte sich der Knecht nicht erklären – trotz einer eindeutigen Stichwunde.
Aber im Nachhinein war das auch unerheblich. Ein unschuldiger Vater und sein Kind waren tot, und Crispin war daran nicht unschuldig.
Auf seinen Befehl hin waren die Stadtknechte mit gezückten Schwertern in die Wohnung eingedrungen und hatten bei dem anstürmenden Vater reagiert, wie sie es gewohnt waren – mit purer Gewalt. Da hatte auch sein eindringlicher Befehl nichts genutzt, das Kind lebend einzufangen.
Crispin wurde bewusst, dass er einen fürchterlichen Fehler begangen hatte, ähnlich dem vor über vierzig Jahren, als der Gutsverwalter sich an seiner Schwester Lucia verging und er nicht länger stillschweigend zusehen wollte. Damals war er ohne Nachzudenken zum Vater gerannt und hatte ihm berichtet, was sich soeben im Schuppen abspielte. Der Vater hatte blind vor Zorn reagiert, genauso wie hier, in dieser jämmerlichen Kammer.
Später, als man den Vater für den Mord an dem Gutsherrn gehängt, seine Schwester Lucia und ihn vom Hof gejagt hatte, musste er erkennen, dass Leibeigene kein Recht bekamen, selbst wenn sie im Recht waren. Hätte er nur einen Moment länger nachgedacht, bevor er zum Vater ging, wäre ihm bestimmt etwas anderes eingefallen, als die dümmste aller Möglichkeiten zu wählen.
So war es auch hier gewesen. Wäre er ohne die Stadtknechte an die Tür gegangen, hätte er geklopft und um Einlass gebeten, wäre es nicht zu diesem Drama gekommen.
Mit hängendem Kopf verließ er das Haus, schaute weder links noch rechts auf seinem Weg und landete schließlich vor einem Gasthaus. Das Schankmädchen versprach ihm köstlichen Wein und auch mehr, sofern ihm danach beliebte.
Nein, das tat es nicht. Einem Krug Wein jedoch, vielleicht auch zweien, war er nicht abgeneigt. Und wenn sie ihm Gesellschaft leistete – ganz ohne schändliche Hintergedanken –, sollte es ihr Schaden nicht sein.
Aber noch im selben Moment wusste er, dass Alkohol seine Schuld nicht tilgen würde. Er musste woanders um Vergebung bitten.
Volkhardt hatte mit Ottos Hilfe die Leichen der Kinder nach oben geschafft, in einen Schuppen, wo sie bleiben sollten, bis der Frost abgeklungen war. Später, wenn die Erde nicht mehr gefroren war, würden sie einen Friedhof für sie finden.
Kathi war im Keller geblieben bei Michael. Er hatte über Nacht Temperatur bekommen. Die anderen Kinder mussten ihn angesteckt haben, was auch kein
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