Die Kinder des Teufels (German Edition)
Gesicht zu schlagen. Der Hieb endete auf dem Spieß und er kurz darauf auf dem eisigen Boden. Faltermayer hatte die Attacke überlegen pariert. Nur der anschließende Stich war ihm misslungen. Statt in die Brust war er in die Schulter gegangen.
«Soll ich eingreifen?», fragte der Reiter an Crispins Seite.
«Das ist nicht unsere Angelegenheit», erwiderte er kühl. «Gehen wir weiter.»
Der Weg führte zu den Unterkünften der Wachmannschaften. Gleich im ersten Raum fand er Lioba. Sie kauerte neben dem Ofen. Vor ihr auf dem Tisch ein Krug Wein mit drei Bechern. Ihr gegenüber zwei Knechte, die das Gespräch mit ihr suchten. Doch Lioba war nicht interessiert. Als sie Crispin zur Tür hereinkommen sah, atmete sie erleichtert auf.
«Seid Ihr der Priester, auf den ich warte?»
Crispin antwortete nicht, begrüßte sie auch nicht. Er befahl den Knechten, sie alleine zu lassen. Murrend zogen sie sich auf ihr Nachtlager zurück. Dann setzte er sich zu Lioba an den Tisch. Er schaute sie eine Zeitlang prüfend an.
Das war also die Hebamme, die das Teufelskind zur Welt gebracht hatte. Irgendwie hatte er sie sich anders vorgestellt, sanfter und gelassener. Sie war – neben Jakobus – die zweite Person, die das Kind tatsächlich gesehen hatte. Die beste Aussicht auf die Wahrheit war, ihr keine Worte in den Mund zu legen, sich unwissend zu geben.
«Ich habe lange nach dir gesucht», begann er.
«Ich sollte ja auch nicht gefunden werden», erwiderte Lioba.
Crispin nickte. «Warum hast du das getan?»
«Weil Bruder Jakobus mir es so aufgetragen hat. Wo ist er eigentlich?»
Er ging nicht darauf ein.
«Warum sollte er das von dir verlangt haben?»
«Damit ich zu niemandem über das Kind spreche.»
«Welches Kind?»
Lioba wusste nicht so recht, was die Frage zu bedeuten hatte. Es lag doch auf der Hand, deswegen war sie hier.
«Na, das Kind mit dem Mal . Fragt Jakobus, er kann es Euch bestätigen.»
Jakobus hatte in seinem Brief das Mal nicht genauer beschrieben. Vermutlich wollte er, dass sich Crispin sein eigenes Urteil bildete.
«Beschreib es mir.»
Die Schilderung war nicht so präzise, wie es sich Crispin gewünscht hatte. Sie habe es nur im Kerzenschein gesehen, sagte sie, außerdem sei sie müde gewesen. Aber dennoch:
«Ich habe ja schon einige Male gesehen, und dieses war anders.»
«Wie anders?»
«Diese drei Punkte … der erste war eine Zahl.»
«Welche Zahl?»
«Eine Sechs.»
«Und die anderen?»
«So rund und geschwungen … Zwei Nullen … oder zwei Sechsen.»
«Du bist dir also nicht sicher?»
«Doch ich bin es. Es waren Zahlen. Eindeutig.»
Also nein. Sie war sich nicht sicher. Denn dann hätte sie die Zahl genau benennen können.
«Ist dir an dem Kind sonst noch etwas aufgefallen?»
«Was meint Ihr?»
«Etwas Seltsames, etwas, das andere Kinder nicht haben.»
Lioba dachte nach. «Nein, es war normal … aber dann auch wieder nicht. Es war größer als sonst. Reifer. Versteht Ihr?»
«Beschreib mir dieses reifer .»
Sie bemühte sich, ihre Erinnerungen in Worte zu fassen, was ihr nicht sonderlich gut gelang.
«Es hatte mehr Haare als andere Kinder. Und sein Blut …»
Was folgte war eine abenteuerliche Beschreibung eines neugeborenen Kindes. Lange Arme, spitze Krallenfinger und dergleichen Unsinn mehr.
Dieses Weibsbild erzählte ihm Erfundenes, um sich wichtig zu machen. Er ließ sie sprechen, nicht weil er ihr auch nur ein Wort glaubte, sondern weil er hoffte, sie würde noch irgendetwas zu jener Nacht sagen, an das sie sich bisher nicht erinnert hatte.
«… und dieses freche Mädchen», polterte Lioba, «wollte mir den Lohn nicht zahlen.» Sie lachte auf. «Aber nicht mit mir.»
«Welches Mädchen?»
«Na, diese Kinderhexe natürlich. Sie hat die Stadt und die Bürger über Wochen hinweg ins Unglück gestürzt.»
Woher kam nun plötzlich eine Kinderhexe?
«Ich verstehe nicht … Wer ist diese Kinderhexe, und was hat sie mit dem Kind und dem Mal zu tun?»
Lioba schaute ihn zweifelnd an.
«Ich dachte, Ihr wüsstet, wer sie ist? Die Tochter der Hure natürlich, die Hexenschwester des kleinen Teufels.»
Jakobus hatte nur von jemandem geschrieben, der sich um das Kind kümmerte. Crispin war von einer Amme ausgegangen, die sich auf Jakobus’ Weisung hin mit dem Kind versteckt hielt, so lange, bis Crispin eingetroffen war.
Er holte Jakobus’ Brief hervor und las: «… ist das Kind sicher untergebracht. Wenn du in Würzburg bist, werde ich dich zu ihm führen.
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