Die Kinder Paxias
jedem sich lösenden Brocken hinterher zu schauen und gab es auf, mit Blicken die Tiefe zu erkunden.
Zum einen, weil sie den Grund ohnehin nicht mehr erkennen konnte und zum anderen, um die Schwindelgefühle zu vermeiden, die sie bei dieser Aktivität jedes Mal überkamen.
Bewusst sich damit selbst zu schaden, unterdrückte das Mädchen den zerstörerischen Drang und konzentrierte sich nur noch auf die Gesteinskuhlen und Vorsprünge, die ihren Füßen Tritt ermöglichten. Oder auf Saya, deren Kondition ihr half wesentlich schneller vorwärts zu kommen.
Auch wenn diese selbst einige abrutschende Erlebnisse hatte, bei denen sie sich nicht weniger als Kaeli blutige Kratzer und zahlreiche Schürfwunden vor allem an den Händen und Unterarmen zuzog, kämpfte sie sich mit einer eisernen Zähigkeit an dem unbekannten Gefilde empor, die Kaeli nur stumm bewundern konnte.
Sie selbst biss die Zähne zusammen und zog sich Stück für Stück kletternd weiter, versunken in beharrlicher Konstanz und Tapferkeit, derer sie sich selbst nicht fähig geglaubt hätte.
Ein faszinierendes Erlebnis war die Durchquerung der ersten Wolkendecke gewesen, die die Mädchen wie einen Nebel umschlossen hatte, einen feinen, angenehm kühlenden Film winziger Wassertröpfchen auf ihrer Haut hinterlassend.
Zumindest für Kaeli hatte er spürbare Linderung ihrer Erschöpfungssymptome bedeutet und ihre drohende Überhitzung zeitweise reguliert.
Leider war das Ende der dichten Wolkenschicht nicht äquivalent zum Ende des Berges – wie beide mit einem inneren Stöhnen feststellen mussten.
Im Gegenteil.
Unaufhörlich erstreckte sich das Massiv weit in den Himmel, ein Gipfel war auch nach den letzten durchstoßenen Wolken nicht in Sicht. Kaeli begann zu glauben, sie müssten die Atmosphäre Paxias verlassen, um den Scheitelpunkt zu erreichen.
Beim ersten Licht der aufgehenden Sonne entschieden sie sich auf einem großflächigen Felsvorsprung, der auch eine höhlenartige Nische barg, eine Ruhepause, verbunden mit einer notdürftigen Wundversorgung einzulegen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit setzten sie wortlos den beschwerlichen Aufstieg fort.
Ohne die Hilfe der sichernden Krallen diesmal, denn die Oberfläche war zu sandig geworden, sie fanden keinen Halt mehr.
Am Ende der Vornacht hatte Kaeli sich lediglich wie ein wunder, blutender Klumpen Fleisch gefühlt, bei dem sie nicht hätte sagen können, wo der Schmerz in den Knochen begann und wo er in Muskeln und Nerven endete.
Aber nun – und das war eigentlich noch schlimmer als ihr bisheriger Zustand – hatte ihr Gehirn die strapaziertesten Gliedmaßen auf Taubheit geschaltet.
Was als Gefühllosigkeit in den Fingern begonnen hatte, griff allmählich auf ihre Hände und Füße über. Kaeli betete innigst zu Paxia, dass sie diese Tortur bald überstehen würde und endlich den Zenit des Bergriesen erreichte, der anatomisch eher einer gigantischen klippenartigen Felswand gleichen musste, die zwei Ozeane voneinander trennte.
Sie versuchte ihre atemraubende Pein, die sie wellenartig wieder und wieder zu überkommen drohte, in die letzten Ecken ihres Bewusstseins zu drängen und schaltete ihren Körper in einen Modus, der lediglich der Aufrechterhaltung der zum Klettern notwendigsten Motorik diente und sogar ihre Emotionen zu töten schien, die allmählich eine Wandlung von Verzweiflung zu duldendem Ertragen und Resignation vollzogen.
Tränen in ihren Augenwinkeln trockneten, während sie stur auf die trostlos anmutende Steinlandschaft vor sich starrte und alle verbliebene Energie in ihre Arm- und Beinmuskulatur transferierte.
Sayas Art ihre Kräfte zu sammeln, war nicht von lautloser Natur – wie ihr zunehmend aggressives Fluchen und die wütenden Ausrufe verrieten. Kaeli vermutete auch die Gelehrte an der Grenze ihres Leistungsvermögens. Sie hatte ihres jedenfalls schon seit Stunden überschritten.
Ein triumphierender Jauchzer über ihr, weckte das Mädchen aus ihrer Lethargie. Sie hielt inne, um einen Blick nach oben zu wagen.
Was sie sah, sorgte für einen Adrenalinschub, der ihr Herz zum Rasen brachte und wieder sprudelndes Leben in sie pumpte.
„Paxia sei Dank“, murmelte sie mit einem befreienden Lächeln, ohne ihre Augen von der winkenden Saya zu lassen, die sicher auf dem – ja, es war der Gipfel des höchsten Berges Paxias stand und ihr mit unverhohlener Erleichterung in der Miene bedeutete, die kurze restliche Strecke zu ihr zurückzulegen.
Dieses Ziel unmittelbar vor Augen
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