Die Kinder von Alpha Centauri
Norday lag etwa vierzig Kilometer nördlich von Franklin, hinter dem
fernen Vorgebirge der Mandel-Bucht auf einem felsigen Küstenstrich, eingeritzt
durch eine Flußmündung, die sich um eine große Insel und mehrere kleinere
verbreiterte. In der Frühzeit der Kolonie, als die Gründer sich erstmals von
dem Anfangsstützpunkt hinauswagten, um ihre Umgebung zu Fuß zu erkunden,
hatten sie festgestellt, daß es bis dorthin rund eine Tagesreise entfernt
nördlich von Franklin war. Daher auch der Name.
Gewachsen war Port Norday aus Bauten, die man gegen Ende des ersten
Jahrzehnts der Kolonie errichtet hatte. Die Gründer, die von Überlegungen zu
manchen ihrer Erfahrungen in Franklin profitierten, waren eher dazu geneigt
gewesen, den unverblümten Ratschlägen der Maschinen zu folgen, des Inhalts:
»Das wird ein Industriekomplex. Wenn ihr daran herummurkst, klappt es nicht.«
Das Ergebnis war eine geordnete, leistungsstarke, funktionelle Anlage, die
eher zu dem paßte, was die Planer für das Unternehmen der Kuan-yin sich vorgestellt hatten, den örtlichen Bedingungen dort
angepaßt, wo es nötig war. Außer den Industrieanlagen umfaßte der Komplex
einen Seehafen, ein Luft- und Raumfahrt-Terminal, verteilt hauptsächlich auf
die Inseln, die durch ein Netz von Tunnels verbunden waren, eine Hochschule für
höhere Technologie und einen kleinen Wohnsektor, der mehr zeitweilige als
dauerhafte Unterkünfte für Leute bot, deren Tätigkeit nahelegte, daß sie in
der Nähe waren, statt ständige Bewohner aufzunehmen, obwohl ungefähr die
Hälfte der Bevölkerung sich dort seit Jahren aufhielt. Wie sich zeigte, neigten
die Chironer zu einem Dasein, das mehr auf die Aufgabe als auf die Laufbahn
des Einzelnen ausgerichtet war, und erwiesen sich als mobil, wenn ihnen das
beliebte.
Die Kapazität der Anlage berücksichtigte langfristige Bedarfsvoraussagen
und reichte weit über die derzeitigen Anforderungen der rund um das Gebiet
verstreuten Industrien hinaus. Die Hauptenergiequelle war ein Fusionssystem
mit Magnetgefäß von einer Leistung bis eintausend Gigawatt. Es vereinigte
verschiedene Eigenschaften der Tokamak-, Spiegel- und Divertor-Konstruktion,
die gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts entstanden waren, und produzierte
Elektrizität mit hohem Leistungsgrad dadurch, daß es superschnelles,
superheißes, ionisiertes Plasma durch eine Reihe riesiger
magnetohydrodynamischer Spulen blies. Zusätzlich wurden die in großen Mengen
bei diesen Abläufen erzeugten schnellen Neutronen gezähmt, um spaltbare Isotope
von Uran und Plutonium aus brütbaren Elementen, in der Anlage an anderen Orten
gewonnen, zu erzeugen und über nukleare Umwandlung die kleinen Mengen
radioaktiver Abfallstoffe zu »verbrennen«, die von der Spaltungswirkung
ausgingen, deren Kreislauf geschlossen blieb und somit vollständige
Verarbeitung und Umgestaltung der Reaktorprodukte umfaßte.
Das Plasma verließ diesen Primärprozeß mit genügend Restenergie, um
qualitativ hochwertige Hitze für die Belieferung einer Anlage zum
Wasserstoffentzug zu bieten, wo Meerwasser thermisch »gecrackt« wurde, um
Grundlagen für eine ganze Reihe
flüssiger Synthetiktreibstoffe, ein Primärmetallgewinnungs- und
Verarbeitungs-Werk, ein Chemiewerk und ein Entsalzungswerk herzustellen.
Letzteres war noch nicht in Betrieb, man dachte aber an Bewässerungsvorhaben
großen Umfangs in den kommenden Jahren.
Der Unterkomplex Metallgewinnung nutzte die verfügbaren hohen
Fusionstemperaturen, um Meerwasser, gewöhnliches Gestein, Sand und alle Arten
Industrie- und Privatabfall zu einem Plasma aus stark geladenen Elementarionen zu formen, die dann durch Magnettechniken
säuberlich und auf einfache Weise getrennt wurden; das Ganze glich einem
Massenspektrometer in industriellem Maßstab. Im Chemiewerk wurde eine große
Zahl von Verbindungen wie Düngemittel, Kunststoffe, Ölprodukte, Treibstoffe
und Futtermittel für eine Reihe einschlägiger Industriewerke in erster Linie
ebenfalls dadurch hergestellt, daß man Reaktionsmittel aus dem Plasmazustand
unter Bedingungen rekombinierte, in denen die Plasmastrahlung darauf
abgestimmt war, in einem schmalen Frequenzband das Maximum zu erreichen, das
die Entstehung erwünschter Moleküle und höchsten Ertrag begünstigte, ohne ein
Übermaß an unerwünschten Nebenprodukten hervorzurufen, viel wirksamer als die
Verwendung von Breitband-Thermalquellen kombinierter Energie. Die Plasmamethode
beseitigte den größten Teil der Tanks und
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