Die Kinder von Alpha Centauri
rief Veronica. »Ich hole die
Sachen.«
Celia blieb sitzen und starrte die Schachteln an, während sie sich
fragte, was sie an dem Ganzen so störte. Es war nicht so sehr das Schauspiel
von Mrs. Crayfords hirnloser Vorführung eines Reichtums, der, wie sie sicher
war, nichts mehr bedeutete, weil sie die Frau lange genug kannte, um
dergleichen erwartet zu haben. Sicherlich konnte es nicht daran liegen, daß sie
derselben Versuchung erlegen war, denn es hatte sich im Verhältnis um eine
Kleinigkeit gehandelt - um eine einzelne, nicht sehr große Skulptur, die keine
Edelmetalle oder seltenen Steine enthielt. Sie wandte den Kopf, um wieder auf
das Stück zu blicken - sie hatte es in die Nische am Eckfenster gestellt - die
Köpfe von drei Kindern, zwei Jungen und einem Mädchen von zehn oder zwölf
Jahren, die nach oben blickten, wie auf etwas Erschreckendes, eine Drohung wahrgenommen,
aber noch nicht deutlich geworden. Aber neben der Angst in ihren Augen hatte
der Künstler auch eine subtile Andeutung von innerem Frieden und Muße erfaßt,
die gar nichts Kindliches an sich hatten, und den Ausdruck mit der Glätte der
Gesichter verbunden, um eine seltsame Sehnsüchtigkeit zu erzielen, die einen
nicht losließ. Das Stück sei fünfzehn Jahre alt, hatte der Händler in Franklin
gesagt, und sei von einem der Gründer angefertigt worden. Celia vermutete, daß
es sich bei dem Händler auch um den Künstler handeln mochte, der auf ihre
versteckten Fragen in dieser Richtung nicht eingegangen war. Wirkte der Ausdruck
dieser Gesichter in irgendeiner Weise auf sie? Oder löste die Geschicklichkeit
des Künstlers, die Maserung so zu verarbeiten, als schiene von oben Licht
darauf, in Celia das Gefühl aus, sie hätte eine wahrhaft künstlerische Leistung
dadurch herabgesetzt, daß sie zugelassen hatte, sie mit den anderen zusammen
als ein Stück mehr an sich zu raffen, um sich daran zu weiden?
Veronica kam ins Zimmer zurück und begann Mrs. Crayfords Pakete
einzusammeln.
»Es geht schon, bleib sitzen, Celia. Ich werde fertig damit.« Sie sah
den Ausdruck auf Celias Gesicht und lächelte. »Ich weiß - schrecklich, nicht?«
flüsterte sie. »Das ist nur eine Phase. Sie kommt darüber hinweg.«
»Das hoffe ich«, murmelte Celia.
Veronica drehte sich noch einmal um, bevor sie zur Tür ging.
»Mir beginnt langsam etwas zu fehlen, wenn ich um Mitternacht nicht
mehr hinausgeworfen werde. Was macht dein gutaussehender Sergeant eigentlich?
Du bist doch nicht fertig mit ihm, oder?«
Celia blickte sie vorwurfsvoll an.
»Ach, komm ... du weißt, daß das nur eine Ablenkung war. Ich habe ihn
schon eine Weile nicht mehr gesehen, aber alle hatten ja so viel zu tun.
Fertig? Eigentlich nicht... wer weiß?« Sie hatte das Gefühl, daß Veronica das
Thema nicht aus purer Neugierde angesprochen hatte. So war es in der Tat.
»Ich habe auch einen«, flüsterte Veronica Celia ins Ohr.
»Was?«
»Einen neuen Liebhaber. Was sagst du dazu?«
»Jemand, den ich kenne?«
Veronica mußte sich auf die Unterlippe beißen, um ein Kichern zu
unterdrücken.
»Einen Chironer.«
Celias Augen weiteten sich.
»Du machst Witze!«
»Nein. Er ist Architekt... und einfach hinreißend! Ich habe ihn gestern
in Franklin kennengelernt und bin die Nacht über bei ihm geblieben. Es ist so
einfach ... sie benehmen sich so, als sei das ganz natürlich ... Und sie haben
so gar keine Hemmungen, weißt du!«
Celia starrte sie wortlos an. Veronica zwinkerte ihr zu und nickte. »Im Ernst.
Ich erzähle dir später davon. Jetzt muß ich gehen.«
»Du gemeines Ding!« entfuhr es Celia. »Ich will es jetzt hören.«
Veronica lachte.
»Du mußt dir das Gehirn zermartern, wenn du dir das alles vorstellst.
Paß gut auf dich auf. Ich rufe dich heute abend an.«
Als die anderen fort waren, ließ Celia sich in den Sessel sinken und begann
wieder zu sinieren. Zum erstenmal seit zwanzig Jahren fühlte sie sich einsam
und wahrhaftig weit von der Erde. Als junges Mädchen, aufgewachsen während des
Aufstiegs der neuen Ordnung nach den Kargen Jahren, war sie den harten
Realitäten von Politik und Militarismus im 21. Jahrhundert durch Lektüre und
Tagträume über Amerika in der späten Kolonialzeit entflohen. Vielleicht war es
eine Folge ihrer vornehmen Geburt, daß sie sich in die Rollen neu
eingetroffener Engländerinnen auf den reichen Pflanzungen von Virginia und
Carolina versetzt hatte, mit Kutschen und Dienerschaft, Herrenhäusern mit
Portikos, und großen Garderoben für die
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