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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Branwen ihrem Gemahl eine Tochter, die sie Gwen nannte.
    Doch nachdem die Männer von Erin sahen, dass sie ihrem König nur eine Tochter geschenkt hatte und keinen Sohn, kam die alte Geschichte wieder hoch, dass der König von Prydain die Pferde ihres Königs verstümmelt hatte – denn so wurde es inzwischen erzählt. Und der Aufruhr in Erin war derart, dass man Matholwch keine Ruhe ließ, die Schande zu rächen. So wurde Branwen aus des Königs Schlafgemach verbannt und gezwungen, im Hof Küchendienste zu leisten, und der Koch musste ihr jeden Tag eine Ohrfeige geben.«
    »Das klingt aber jetzt kindisch«, meinte Gunhild. »Und wie wollten sie das vor ihrer Familie auf Dauer geheim halten? Irgendwie erscheint mir die Geschichte langsam unwahrscheinlich.«
    Der Barde schnaubte, als hätte sie an seiner persönlichen Ehrlichkeit gezweifelt. »Natürlich verbot man allen Schiffen und Fähren, zur Insel der Mächtigen überzusetzen, und alle Händler, die von dort kamen, wurden ins Gefängnis geworfen. So ging es drei Jahre lang. Doch Branwen zog an dem einen Ende ihres Backtrogs einen Starling auf, und eines Tages band sie ihm einen Brief unter den Flügel und lehrte ihn, was er zu tun habe. Und der Vogel flog fort übers Meer in Richtung Prydain …«
    Aber Gunhild hörte gar nicht mehr zu. Sie hatte etwas gefunden, das ihre Aufmerksamkeit viel mehr fesselte als die Geschichte des Barden. Am Rande des Weges, kaum zu erkennen in dem begrenzten Lichtkreis, den die Wagenlaternen warfen, hatte sie etwas erspäht, das ihr bekannt vorkam. Drei seltsame verdrehte Silbertannen, die gegeneinander lehnten, wie um sich wechselseitig Schutz zu geben. Sie erinnerte sich, dass sie eine solche Baumgruppe gesehen hatte, als sie hergekommen waren. »Halt!«, rief sie. »Halten Sie bitte an.«
    Der Alte zog die Zügel an und brachte mit einem »Prrr!« das Zugtier zum Stehen.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie wieder unterbreche«, sagte Gunhild, »aber ich glaube, wir sind da.« Sie spähte in die Dunkelheit. »Merkwürdig, dass kein Licht zu sehen ist.«
    »Ich kenne die Eiben hier«, meinte der Alte mit einem Blick auf die Bäume. »Die Drei Schwestern nennt man sie. Doch ich weiß nichts von einer Herberge an diesem Ort.« Und als er Gunhilds zweifelndes Gesicht sah, meinte er gutmütig: »Schauen wir nach. Komm!«
    Er schnalzte mit den Zügeln und lenkte das Maultier vom Hauptweg ab auf einen Seitenpfad, der hier abzweigte. Es war alles so, wie Gunhild es in Erinnerung hatte. Der Weg öffnete sich auf eine große, rechteckige Lichtung, von Erdwällen umgeben. Nur vom Gebäude des Foxcombe Hotel war nirgendwo etwas zu sehen. Und dort, wo die Kneipe zum Grünen Mann gestanden hatte, wiegte eine mächtige Eiche ihre Blätter im Nachtwind.
    »Der Grüne Mann«, stammelte Gunhild. Es war das Einzige, was ihr einfiel; sie war wie vor den Kopf geschlagen. »Der Grüne Mann, er hat das alles weggeschafft … weggezaubert …«
    »Du musst dich irren«, sagte der Alte an ihrer Seite sanft. »Vielleicht war es doch eine andere Stelle. Und was den Grünen Mann betrifft …«
    »Nein!« Gunhild bestand darauf. »Es war hier. Ich weiß es. Lass mich runter, dann zeig ich’s dir.«
    Taliessin brachte das Zugtier erneut zum Stehen. Der Wagen hatte noch nicht richtig angehalten, da sprang Gunhild auch schon vom Kutschbock. »Komm!«, rief sie. »Komm!« Sie war so aufgeregt, dass sie alle Höflichkeitsfloskeln vergessen hatte. Sie wusste nur noch eines: Wenn dies die Stelle war, die sie gesucht hatte, dann musste auch der Steinkreis hier sein, in welcher Form auch immer. Und dies würde beweisen, dass sie sich nicht irrte.
    »Warte!«, rief der Barde. »Ich muss das Maultier erst festbinden. Sonst läuft es uns noch davon.« Er war abgestiegen und suchte nach einem Busch oder Ast, um die langen Zügel daran festzuknoten. Schließlich entschied er sich dafür, sie um den Stamm der Eiche zu schlingen. Das Maultier beäugte den Baum mit Misstrauen, als könnte er plötzlich lebendig werden und es verschlingen.
    Gunhild jedoch ließ sich nicht mehr aufhalten. In dem Wall, der sich um die Lichtung zog, hatte sie eine Lücke erspäht, genau an der Stelle, wo sie den Weg vermutete, der zu dem Steinkreis führte. Und da war der Weg, deutlicher zu erkennen, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sie rannte darauf zu. Die Bäume und Büsche wuchsen zu beiden Seiten des Weges wie eine lebende Mauer, ein undurchdringliches Dickicht, erfüllt von den Geräuschen

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