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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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unpassend.
    »Und was soll jetzt werden?«, fragte sie ganz sachlich. »Mit dem Stein – und mit mir?«
    »Nun«, meinte der Alte, »ich fürchte, die Herberge und die, die du suchst, wirst du heute nicht mehr finden.«
    »Das fürchte ich auch«, sagte Gunhild und verzog das Gesicht. »Ich habe meine Zweifel, ob ich sie überhaupt finden werde, jedenfalls in dieser Welt.«
    »Dann komm. Ich bringe dich an einen Ort, wo du fürs Erste sicher bist.«
    Sie traten hinaus auf die Lichtung. Gunhilds Blick ging zu der alten Eiche, wo Taliessin das Maultier angebunden hatte. Erschrocken hielt sie die Luft an. Tier und Wagen waren verschwunden.
    »Da«, sagte Taliessin.
    Sie folgte seinem Fingerzeig. Auf der anderen Seite der Lichtung, nahe dem Weg, den sie von der Hauptstraße kommend genommen hatten, schwankte ein Licht in der Düsternis. Dann sah Gunhild auch den Umriss des Wagens und des Maultiers.
    Mit raschen Schritten überquerten sie die Lichtung. Anscheinend hatte das Tier sich losgerissen und war in Richtung Ausgang getrottet, hatte dann aber nicht den Mut besessen, sich allein auf den Weg zu machen. Oder es hatte nur versucht, möglichst viel Abstand zwischen sich und den Baum zu legen.
    »Ich glaube, das Muli hat was gegen Bäume«, meinte Gunhild im Laufen. »Dabei sind sie doch harmlos.«
    »Ja?«, entgegnete der Alte. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Zumindest bei der Eiche nicht.
    Eiche, die unter dem Steilhang steht;
Verdunkelt sind Himmel und Erde!
Sollt’ ich nicht an seinen Wunden erkennen,
Wer dort hängt?
    Bäume sind niemals harmlos«, fuhr Taliessin fort. »In ihren Ästen tragen sie die Erinnerung an vergangene Zeiten. Und sie sind sehr nachtragend.«
    Gunhild warf einen Blick zurück auf die Eiche. Fast erwartete sie, in den Zweigen wirklich jemanden hängen zu sehen. Vielleicht den Grünen Mann, ein Wort, das bei ihr immer noch einen Schauder auslöste. Sie erinnerte sich an die früheren Worte des Barden, der von einer »Schlacht der Bäume« gesprochen hatte, aber an die Namen, die in dem Zusammenhang gefallen waren, erinnerte sie sich nicht mehr.
    Sie hatten inzwischen den Wagen erreicht. Das Maultier blickte ihnen entgegen, als sei es böse, dass sie es in der Dunkelheit allein gelassen hatten. Die Zügel, die im Gras schleiften, waren zerrissen und zerfranst, so als habe jemand sie durchgebissen. Eine der Laternen war von einem Windstoß gelöscht worden. Der Alte entzündete sie wieder an der anderen und hängte sie zurück, ehe er die zerfaserten Enden der Zügel in die Hand nahm und auf den Kutschbock kletterte.
    Gunhild war schon aufgestiegen. Hier oben, auf dem Wagen, fühlte sie sich besser als auf dem Erdboden. Seltsam, dass dieser bunt bemalte Karren, der ihr vor kurzem noch als so fremdartig, ja, komisch erschienen war, ihr nun ein Gefühl der Sicherheit vermittelte.
    »Hya!« Taliessin schnalzte mit den Zügeln. Zögernd setzte sich das Maultier in Bewegung. Der Wagen antwortete mit einem scheppernden und lärmenden Echo.
    Als sie von dem Seitenweg auf die Hauptstraße eingebogen waren, warf Gunhild einen letzten Blick zurück. Dort, wo sie hergekommen waren, war nur noch eine dunkle Wand von Bäumen zu sehen. Selbst von den Drei Schwestern, wie der Alte jene seltsame Baumgruppe genannt hatte, die den Durchgang markierte, war nichts mehr zu erkennen. Als hätte die Nacht sie verschluckt. Aber Gunhild wusste, was hinter den Bäumen lauerte. Aber wusste sie genug?
    »Kannst du mir etwas erzählen von dieser Eiche und ihrer Geschichte?«, fragte Gunhild ihren Kutscher, als das Scheppern des Geschirrs wieder ein erträgliches Maß angenommen hatte. »Und von dem Grünen Mann?«, fügte sie noch rasch hinzu.
    Der Alte sagte lange Zeit nichts. Dann meinte er schließlich mit einem Seufzer: »Das ist eine dunkle Geschichte, zu dunkel für eine Nacht wie diese. Doch ich kann dir erzählen, wie die Legende von Brân mab Llŷr ausging – soweit man dies sagen kann. Denn ich denke nun, es ist eine Geschichte, die auch dich betrifft. Du erinnerst dich noch an das, was ich dir erzählt habe?«
    Mit einem Anflug von Panik dachte Gunhild an die Ermahnung, die der Alte damals seiner Erzählung vorausgeschickt hatte und dass sie nur ja nichts vergessen sollte. Sie versuchte sich die vielen seltsamen Namen ins Gedächtnis zu rufen, aber sie war inzwischen schon viel zu müde, um noch richtig denken zu können. Sie schluckte und sagte mutig: »Da war die Sache mit Branwen und diesem Sperling

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