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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Laternen hingen, die mit Öllampen bestückt waren. Sie spendeten ein weiches Licht, das gerade ausreichte, um die unmittelbare Umgebung zu erkennen.
    Taliessin löschte die Fackel und trat das Feuer aus. Der Himmel jenseits der schwarzen Baumwipfel war noch nicht völlig dunkel, aber jetzt, wo das Lagerfeuer erloschen war, sah man deutlich die Sterne hervortreten.
    Mit mehr Behändigkeit, als man ihm zugetraut hätte, schwang sich der Alte auf den Kutschbock. »Komm!«, sagte er und hielt Gunhild die Hand hin.
    Das Mädchen kletterte neben ihn auf den Wagen hinauf und nahm auf der harten Sitzbank Platz. Der Barde schnalzte mit den Zügeln und der Karren setzte sich rumpelnd in Bewegung.
    Was bislang allenfalls ein gelegentliches leises Klingeln und Klirren gewesen war, wurde zu einem ohrenbetäubenden Scheppern. Die Töpfe, Kellen und Schüsseln, die an den Seiten des Wagens hingen, schlugen wild gegeneinander. Und auch als sich das Hin- und Herpendeln nach den ersten Metern etwas legte, nachdem der Wagen auf den Fahrweg eingebogen war, genügte doch jede Unebenheit im Boden, um den Lärm erneut zu steigern. Gunhild hatte auf eine kurze, stille Fahrt durch die Nacht gehofft. Daran war nun nicht zu denken. Einen Vorteil freilich hatte das Geschepper. Es war laut genug, um jeden Angreifer in die Flucht zu schlagen. Und der Lärm war gut, damit man nicht an das dachte, was im Finstern zwischen den Bäumen lauern mochte. Zumindest half es ein wenig.
    Die Schatten waren noch tiefer geworden. Unter den Büschen und im Gezweig lag tintige Schwärze. Vor ihnen gähnte die Tiefe des Tunnels.
    »Was waren das für Hunde, die mich verfolgt haben?«, fragte Gunhild. Es war eine nahe liegende Frage, obwohl vielleicht nicht dazu geeignet, die Schatten zu verdrängen. »Die Hunde von … Annun?«
    »Annwn. Dem Schattenreich. Hast du nie davon gehört?« Sie schüttelte den Kopf; dann, als ihr klar wurde, dass er es ja nicht sehen konnte, im Halbdunkel und den Blick nach vorne gerichtet, sagte sie: »Nein. Was ist das für ein Reich? Das Land … der Toten?«
    Der Alte schwieg eine Weile, als müsse er die Antwort sorgfältig bedenken. Dann sagte er: »Der Toten? Der Lebenden? Es spielt keine Rolle. Annwn ist alles das, was Prydain nicht ist. Was hier als Zauber gilt, ist dort Teil der Natur; was man dort Leben nennt, ist hier Tod. Doch die Weisen lehren, dass wir alle aus Annwn hervorgegangen sind und diesen Schatten immer in uns tragen. Doch solange die Grenzen von Annwn und Prydain fest gezogen sind, ist die Welt im Gleichgewicht.
    Die Alten von Prydain wussten dies, die zaubermächtigen Geschlechter der Kinder Dôns. Aber als die jüngeren Völker von Prydain, die Menschen, nach Norden kamen, da achteten sie die alten Grenzen nicht mehr, und diese wurden durchlässig …«
    Er verstummte, und wieder schwieg er eine Weile, bis das Scheppern und Quietschen des Wagens, das Klappern der Hufe auf dem Weg und die nächtlichen Geräusche des Waldes so übermächtig wurden, dass Gunhild nicht umhinkonnte zu fragen: »Und wie ist das geschehen?«
    »Oh.« Er schreckte auf. »Gar nichts weißt du, nicht wahr? Es ist eine Geschichte für junge Leute, die Mabinogi; man erzählt sie den Bardenschülern am Anfang ihrer Ausbildung …«
    Seine Art hatte etwas, das Gunhild verärgerte, aber sie schluckte die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, wieder hinunter. »Dann erzählen Sie mir doch davon.«
    »Hast du schon einmal von Pwyll gehört, der sich ›Herr von Annwn‹ nannte?« Und als sie den Kopf schüttelte, fuhr er fort: »Mit ihm fing alles an. Ein Häuptling von Schweinezüchtern, dessen Volk erst wenige Generationen zuvor ins Land gekommen war, nach Dyved, einem schmalen, schlammigen Landstreifen im Süden von Prydain. Das ist lange her …«
    Er erzählte es, als wäre es immer noch eine sehr aktuelle Geschichte, die ihn zutiefst aufrüttelte. Gunhild sagte nichts, um ihn in seinem Erzählfluss nicht zu stören. Aber der Alte hätte sich jetzt durch nichts in der Welt mehr aufhalten lassen:
    »Pwyll war es, der das Tor nach Annwn öffnete und Arawn dem Jäger und seinen Hunden Zutritt in unsere Welt verschaffte. Doch sein Sohn Pryderi ist es gewesen, mit dem der Untergang von Prydain seinen Lauf nahm. Denn er verbündete sich mit den Kindern Llŷrs, den alten Widersachern des Hauses Dôn, und war dabei, als Brân der Gesegnete mit seinem Heer nach Erin zog.«
    »Nach Erin?« Es war der erste Name in dieser Geschichte, mit dem Gunhild

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