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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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glitzernden Wellen schossen, dann war es fast so etwas wie Urlaub.
    »Hey!«, rief Siggi. »Das ist stark! In den nächsten Ferien machen wir einen Segeltörn. Dann kannst du mir zeigen, wie das richtig geht. Bist du dabei, Hagen?«
    Hagen sagte nichts, aber sein Blick war finster. Gunhilds Augen dagegen glänzten, und ihr Gesicht, in dem der frische Wind die Blässe vertrieben hatte, glühte vor Erregung.
    Als die Sonne tief im Westen stand, waren sie alle von der ungewohnten Anstrengung erschöpft. Aber erst, als sich am Himmel die ersten Sterne zeigten, wies der Alte sie an, die Segel einzuholen.
    Mehrmals hatten sie am Tag zur Linken – an Backbord, wie man seemännisch sagt – Land gesichtet: bewaldete Höhen, die unter der hoch stehenden Sonne zu bläulichen Schemen verblassten; auch eine Flussmündung. Einmal waren sie an einem vorgelagerten Felsen vorbeigekommen, der wie ein Berg aus dem Meer ragte, umschwärmt von rotschnäbeligen Papageientauchern. Doch voraus war nichts zu erkennen, nur das endlos sich hebende und senkende Blaugrün der See, bis zu einem wie mit dem Lineal gezogenen, leicht gewölbten Horizont.
    »Sollen wir nicht über Nacht irgendwo vor Anker gehen?«, fragte Hagen den Alten.
    »Nein«, entgegnete dieser. »Wir fahren weiter.«
    »Aber bei diesem Seegang und ohne Antrieb …«
    »Geduld«, sagte der Alte. »Du wirst schon sehen.«
    Und in der Tat: War es, weil sie sich inzwischen an das ewige Auf und Ab gewöhnt hatten, oder wurden die Wellen tatsächlich niedriger? Fast lautlos glitt das Schiff dahin unter dem dunkelnden Himmel. Eine unbekannte Strömung schien es erfasst zu haben, ein Sog, der es sanft aber unwiderstehlich mit sich zog. Noch lange erhellte der Schein der untergegangenen Sonne das westliche Firmament, gelblichblau gegen das tiefere Dunkelblau des Sommerhimmels, an dem erst spät, kurz vor Mitternacht, die ersten Sterne aufschienen.
    »Kennst du die Sterne?«, fragte Gunhild, an Hagen gewandt.
    »Es ist Mittsommer«, sagte der. »Da sind nur die hellsten zu sehen.« Er deutete mit dem Finger. »Dort, im Nordwesten, das ist der Große Bär, auch der Große Wagen genannt. Wenn du die hintere Deichsel verlängerst, gelangst du vorbei am Schweif des Drachen – siehst du, wie er sich windet, um den Kleinen Bären herum – zum Polarstern. Die alten Kelten glaubten, er sei der Sitz eines Gottes …« Er warf einen Blick zu dem Alten hinüber, der am Ruder saß, aber der gab durch nichts zu erkennen, dass er etwas gehört hatte. »Und dort, auf der anderen Seite des Bären, tief am westlichen Horizont und nur noch halb zu erkennen, steht der Löwe, unter dessen Einfluss wir uns jetzt befinden, wenn du an Sternbilder glaubst.«
    »In einer Nacht wie dieser könnte man fast daran glauben«, sagte Gunhild leise.
    »Ich glaube nur an das, was ich weiß«, sagte Hagen.
    »Und woher weißt du das alles?«
    »Mein Vater …« Wieder verstummte er.
    »Du redest ziemlich oft von deinem Vater, dafür, dass du ihn nicht magst«, meinte Gunhild.
    Der Blick, den er ihr zuwarf, war wild. »Ich hasse ihn. Nein«, berichtigte er sich im nächsten Atemzug selbst, »das ist es nicht. Es ist nur … Er war nie da, wenn ich ihn brauchte. Immer war er auf See. Als meine Mutter starb … hat er mich allein gelassen. Und jetzt, jetzt ist er zurückgekommen, und er will, dass ich in die Royal Navy eintrete.«
    »Und du willst das nicht?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich will mir nur nicht von ihm mein Leben vorschreiben lassen. Aber ich weiß nicht, welche Alternativen ich habe. Und wenn ich gehe … wer weiß, wann ich zurückkommen kann.«
    Plötzlich ging ihr ein Licht auf. »Deshalb hast du auf meinen Brief nicht geantwortet!«
    »Es wäre sinnlos«, sagte er. »Was zwischen dir und mir war, das hat keine Zukunft.«
    Daraufhin lachte sie ein wenig und meinte: »Da habe ich wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden.«
    So glitten sie dahin unter den Sommersternen. Siggi lag im Bug des Schiffes, in seinen Mantel gewickelt, das Schwert an seiner Seite, und schlief. Hagen hatte den Speer griffbereit neben sich liegen; den Mast im Rücken, schaute er nach oben, während Gunhild sich in seinem Arm zusammengekuschelt hatte, und irgendwann fielen auch ihm die Augen zu.
    Aneirin – oder wie immer sein Name lauten mochte – saß im Heck. Er hatte die Ruderpinne unter den Arm geklemmt und seinen Schlapphut tief ins Gesicht gezogen. Ob er schlief oder wachte, wer hätte es sagen können?
    In dieser Nacht

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