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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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sie zu: ein Mann und eine Frau. Über ihren Gewändern trugen sie Rüstungen aus einem feinen silbrigen Kettengeflecht, doch diese schienen eher zeremoniellen Charakter zu haben. Keiner von beiden trug eine Waffe.
    Als sie näher kamen, fiel den dreien auf, wie schmächtig sie waren. Hagen, der Größte unter ihnen, überragte sie fast um Kopflänge.
    Sie wandten sich an die drei mit einer leichten Verbeugung; den Alten schienen sie geflissentlich zu übersehen. Erst sprach die Frau, dann der Mann. Ihre Stimmen klangen sanft und melodisch. Gunhild, Siggi und Hagen verstanden kein Wort.
    »Sie heißen euch willkommen auf Ynis Avallach, der Insel der Apfelbäume«, übersetzte Aneirin. »Die Herrin erwartet euch in ihrem Garten.«
    »Wieso verstehen wir nicht, was sie sagen?«, zischte Siggi unter der Hand. »Bis jetzt ging das doch ganz gut.«
    »Ynis Avallach – Avalon, wie es in der Legende genannt wird – ist nicht ganz Teil der Anderswelt. Es ist ein Reich für sich«, erklärte er geduldig. »Hier gelten andere Gesetze.«
    »Also dann«, sagte Siggi, »gehen wir!«
    Er machte sich daran, seine Aufforderung selbst in die Tat umzusetzen. Aber das seltsame Wächterpaar rührte sich nicht.
    »Sie warten darauf, dass ihr ihnen antwortet«, erklärte der Alte.
    »Aber …«, begann Siggi, hielt dann aber inne. »Mach du das, Hagen«, sagte er großmütig. »Du kannst das besser.« Hagen verbeugte sich formvollendet und bedeutete den beiden mit einer Geste, voranzugehen. Doch immer noch bewegten sie sich nicht von der Stelle.
    »Ich denke, du solltest ihnen antworten, Gwenhyfar«, meinte der Alte zu Gunhild. »Dies ist nämlich das Land der Frauen, sie gelten hier als das edlere Geschlecht.«
    Gunhild schaute ein wenig ungläubig drein, aber dann wandte sie sich doch an das Empfangskomitee und sagte in vollendeter Höflichkeit: »Wir danken Euch für das Willkommen. Gerne nehme wir die Einladung Eurer Herrin an. Bitte zeigt uns den Weg.«
    Und so, als hätten sie die Worte verstanden, verneigten sich die beiden und wandten sich um, um ihnen voranzugehen.
    »Von wegen ›der wahre König von Avalon‹ …«, grummelte Siggi, als er hinter seiner Schwester hertrottete.
    »Was hast du gesagt?«
    »Na, das stand doch auf dem Schwert. Ich meine, auf dem Stein, aus dem ich es gezogen habe.«
    »Du hast ein Schwert aus einem Stein gezogen? Davon weiß ich noch gar nichts.«
    »Na, das hier. Damit fing doch alles an. Und es stand dabei: ›Wer mich herauszieht, ist der wahre König von Avalon.‹ Auf Latein.«
    Sie sah ihn von der Seite an. »Da muss irgendjemand etwas missverstanden haben, Brüderchen.«
    »Frauen!«, schnaubte Siggi.
    Hagen grinste, doch als er sich umsah, verging ihm das Lächeln. Sie bildeten einen seltsamen Zug über die Hauptstraße: die beiden Wachen vorneweg, dann sie zu dritt und der Alte, der ihnen folgte. Niemand jubelte ihnen zu, keiner warf Blumen, ja, es gab nicht einmal jemanden, der ihnen grüßend zugewinkt hätte. Aus den Schatten heraus und hinter halb geschlossenen Fensterläden folgten ihnen Augenpaare. Missbilligten die Einwohner dieser wunderbaren Insel ihr Eindringen? Hielten sie sie gar für Feinde?
    Aber das war es nicht. Er hatte eher den Eindruck, als seien diese schlaffen Gestalten einfach zu apathisch, um noch Neugierde oder gar Freude zu empfinden.
    Und noch etwas fiel ihm auf, jetzt, bei näherem Hinsehen. Die Pracht der Gebäude, die kunstvolle, himmelstrebende Architektur, hatte offensichtlich schon bessere Tage gesehen. Es war nicht leicht zu erkennen, doch wenn man auf die Details achtete, sah man die Risse in den Marmorfassaden, anfangs noch mit Mörtel und Kalk geflickt, dann nur notdürftig und schließlich gar nicht mehr ausgebessert. In einigen Seitengassen lag Schutt.
    Ihr Weg führte eine Flucht von breiten Stufen hinauf zum Palast, der das Ende der Prachtstraße bildete. Die große, zweiflügelige Tür, mit Schnitzereien bedeckt, war geschlossen, und es sah so aus, als sei sie lange nicht geöffnet worden. Der Wind wehte vertrocknete Blütenblätter über das gesprungene Pflaster.
    Gunhild warf Hagen einen Blick über die Schulter zu. In ihren Augen spiegelte sich sein Unbehagen. Es lag fast etwas wie Erschrecken darin.
    Hagen wandte sich Aneirin zu. »So hast du es dir nicht vorgestellt, alter Mann, nicht wahr?«
    Dieser wich seinem Blick nicht aus. »Avalon war schön in seiner Blüte. Dies ist nur ein Schatten dessen, was es war – und wieder sein kann. Nur

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