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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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darum sind wir hier, ihr und ich. Doch horcht! Hört ihr nicht die Vögel singen?«
    Und in der Tat, in dem Wind, der über den Vorplatz blies, lag plötzlich Vogelgesang.
    Die beiden Wachen drängten. Obwohl die Worte fremd blieben, war doch klar, was sie bedeuteten: Hier entlang! Dort hinein! Dort erwartet sie euch …
    Die Wachen traten zur Seite, um den Gästen den Weg freizugeben. Zur Rechten öffnete sich in einer Mauer, die nun, da die Sonne höher gestiegen war, im Schatten lag, ein Bogen aus Rankengeflecht, mit Weinlaub überwachsen. Siggi trat als Erster hindurch, wachsam, die Hand am Schwert. Die Sonne blendete so stark, dass er zuerst gar nichts erkennen konnte. Dann stürmten die Sinneseindrücke alle zugleich auf ihn ein, sodass er nur noch dastehen und staunen konnte, ebenso wie die anderen, die ihm gefolgt waren.
    Sie befanden sich in einem Garten. Überall grünte und blühte es. Der Duft von Rosen und Hyazinthen lag so schwer in der Luft wie ein Parfum. Unzählige Vögel schwirrten durch das Gezweig der Apfelbäume, von denen einige erst Knospen trieben, andere Blüten und dritte schon Früchte in allen Stadien der Reife und wieder andere alles zugleich trugen. Alles war erfüllt von Leben und dem Gezwitscher der Vögel.
    Den Garten, unterteilt in einzelne Beete, die von niedrigen Buchsbaumhecken begrenzt wurden, durchzog ein geharkter Kiesweg. Er führte zu einer Art Pergola, in deren Schatten ein Thron aufgestellt war. In einem Halbkreis standen Bänke; junge Frauen, die sich dort niedergelassen hatten, machten Musik auf Saiteninstrumenten, deren gedämpfter Klang sich mit dem Lied der Vögel mischte. Doch aller Augen richteten sich auf die, welche da auf dem Thron saß.
    Sie war nicht mehr jung. Ihr Haar, das einst wie die Sonne geleuchtet haben mochte, schimmerte nun weiß wie Mondlicht. Die Jahre unter den Menschen hatten feine Falten in ihr schmal geschnittenes Gesicht gegraben. Aber sie war immer noch schlank und schön, und der Glanz ihrer mandelförmigen Augen zeugte von einem Wissen, das weit über menschliches Maß hinausging. Und um sie herum war das Schwirren der Vögel am dichtesten und ihr Gesang am schönsten.
    Siggi, der wie im Traum den Kiesweg entlang auf sie zugegangen war, wusste sich nicht anders zu helfen, als das Knie vor ihr zu beugen.
    »Herrin Rhiannon«, sagte er, »dass ich Euch in diesem Leben noch einmal sehen darf, ist eine größere Gnade, als ich sie mir je hätte erhoffen können.«
    Da lachte sie, ein silberhelles Lachen. »Solch liebliche Worte aus so jungem Mund, wie Arthur sie nicht trefflicher hätte sagen können. Wie soll ich dir da nicht glauben?«
    Auch Hagen war näher getreten. Er verbeugte sich knapp. »Dann ist es wahr, was er sagt? Ihr seid Rhiannon, die Herrin der Vögel.«
    »Herrin der Vögel und Herrin der Insel – oder zumindest von dem, was davon übrig geblieben ist. Und wer bist du, junger Krieger mit dem Speer? Wie soll ich dich nennen, Llew mit der sicheren Hand oder gar Lancelot?«
    »Hagen«, sagte dieser. »Das genügt.«
    »Hagen? Und …«
    »Siggi! Ich meine: Siegfried.«
    »Das sind seltsame Namen. Aber ihr tragt das Schwert und den Speer, wie Arthur und Lancelot, Bär und Löwe. Und wer bist du, junge Frau mit dem Kristall, der schimmert wie das Wasser des Meeres?«
    Gunhild machte einen Knicks; es kam ihr einfach angemessen vor. »Gunhild heiß ich«, antwortete sie.
    »Und ich nenne sie die Eule, Gwenhyfar in der alten Sprache von Prydain – oder Guinevere, wie man heute sagen würde«, meinte der Alte. »Ist es wohl Zufall, dass die drei hier vereint sind, an diesem Ort und zu dieser Zeit?«
    Der Blick der Herrin verfinsterte sich. »Deinen Namen kenne ich wohl, und oft habe ich ihn verflucht, Sohn der Göttin, auch wenn ich nie erfahren habe, wer dein Vater war.«
    Da lachte der Alte, ein dröhnendes Lachen, das Hagen und Siggi herumfahren ließ. Sein Hut verdeckte das linke Auge, aber sein rechtes funkelte in schadenfroher Glut.
    »Einen Lachs aß die Große Göttin, der von Westen den Fluss heraufgeschwommen kam, und neun Monde später gebar sie mich. Keinen Vater habe ich je gekannt. Doch unter den Halbgöttern des Hauses Dôn war ich der Erstgeborene. Warum soll ich dann nicht den Namen tragen, der mir gebührt?
    Sag, wie nennt man mich?
Durch den Farn ich schlich.
Der alte Mâth mab Mathonwy
Weiß nicht mehr als ich.«
    »Gwydion!«, rief Hagen aus. »Du bist Gwydion mab Dôn!«
    »Du warst mit Brân in Erin, nicht wahr«,

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