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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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silbernen Türen hinauf und runzelte die Stirn. »Du hast Recht, es kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    »Erinnerst du dich denn nicht mehr? Die Insel unter dem Meer … vor den Küsten von Erin …«
    »Hagen!« Sie schüttelte ihn. »Die Insel unter dem Meer gibt es nicht mehr. Das war einmal. Das ist eine andere Geschichte.« Kritisch blickte sie zu dem Ornament auf dem Torbogen empor. »Außerdem ist es nicht dasselbe Zeichen. Es ist nur ähnlich.«
    Hagen kniff die Augen zusammen. »Du willst mir Mut machen, nicht wahr?«
    »Du musst nicht glauben, dass sich alles wiederholt. Sonst könnte man ja nie etwas ändern …«
    Hagen sah sie skeptisch an. In diesem Augenblick ging ein Zittern durch die mächtigen Torflügel. Grünes Licht glitt darüber hinweg, dass ihre silbergetriebenen Oberflächen wie Wasser schillerten. Dann schoben sie sich langsam auf und gaben den Blick frei auf das, was dahinter lag.
    Hagen packte seinen Speer und ging als Erster hinein.
    »Was ist los mit ihm?«, fragte Siggi leise, sodass Hagen es nicht hören konnte.
    »Ich glaube, er hat ein Gespenst gesehen«, gab Gunhild ebenso leise zurück.
    »Oh«, machte Siggi. »Ich weiß, wie das ist …« Er wollte noch etwas hinzufügen, doch der Anblick, der sich ihnen bot, verschlug auch ihm die Sprache.
    Sie traten hinein in eine Halle, die so fantastisch war, dass sie das Gefühl hatten, sie wären mit einem Schritt wiederum in eine völlig andere Welt gelangt, einen fremden Raum in einer unbekannten Zeit. Kristalle bedeckten die Wände, in allen Blau- und Grüntönen funkelnd, verbanden sich nach oben hin zu Fächern, weiche die Gewölbe stützten, und spiegelten sich in den Wasserflächen, die den Boden bedeckten. Kristalle hingen auch von der Decke; Tropfen sammelten sich daran, lösten sich hier und da und prallten mit einem lauten »Pling« auf den Grund. Die Erschütterungen, die sie in dem glasklaren Wasser hervorriefen, breiteten sich in kreisförmigen Wellen aus, und die Wellenbewegung wurde wieder auf die Kristallwände zurückgeworfen, sodass der ganze Raum in einem einzigen Auf- und Absteigen begriffen zu sein schien.
    Die Terrassen, die den Boden gliederten, staffelten sich in natürlichen Stufen. In den flachen Becken, in denen sich das Wasser sammelte, fügten Mineralien, vom Meerwasser ausgewaschen, und Algen dem vorherrschenden Blaugrün andere Töne hinzu. Und der Thron, der das oberste Podest der Terrassen krönte, ebenso wie der Baldachin in Form einer riesigen Muschel, der ihn überwölbte, war aus reinem Silber getrieben und mit funkelnden Edelsteinen bestückt.
    Er, der in all dieser Pracht auf dem Thron saß, war zweifellos ein Gott.
    Er war fast nackt. Er erschien größer als ein gewöhnlicher Sterblicher, doch an seinem Riesenkörper war nichts unmäßig, wie es bei großen Menschen oft der Fall ist. Muskeln spannten sich unter seiner Haut, die glitzerte wie die eines Fisches. Seine langen, starken Finger waren mit Schwimmhäuten verbunden, ebenso wie die langgliedrigen Zehen. Der Kopf, mit fein gemeißelten Zügen, war umgeben von einer langen Mähne glänzenden Haars, das wie Tang in der Strömung floss. In den großen, schräg geschnittenen Augen schillerten die Pupillen wie Perlmutt. Der Blick hinter den halb geschlossenen Lidern war so unergründlich wie das Meer.
    Siggi und Gunhild waren unwillkürlich beiseite getreten, um Merlin den Vortritt zu lassen. Selbst Hagen schien die unirdische Pracht in Bann geschlagen zu haben. Er hatte den Speer gesenkt, sodass dieser mit der Spitze das Wasser berührte.
    Die Gestalt auf dem Thron regte sich nicht. Es lag etwas Unheimliches in dieser Ruhe: eine geballte Kraft, die ewig dort schlafen oder sich im nächsten Augenblick entladen konnte. Doch dann öffneten die Augen sich ganz, und die kupferfarbenen Lippen teilten sich.
    »Willkommen, Kinder der Erde …« Die Stimme war tief und hallend, dass die Kristalle der Halle vibrierten. »Du bist hier nicht willkommen«, fuhr die Stimme fort, »… Vater.«
    Aller Augen wandten sich dem Alten zu, als dieser langsam vortrat. Das Wasser schwappte um seine Knöchel. Er hatte etwas Verlorenes an sich, wie er so in der Mitte der Halle stand. Er sah so alt und gebrechlich aus, dass man ihm am liebsten einen Stock in die Hand gegeben hätte, damit er sich darauf stützten konnte. Aber in seiner Stimme lag etwas von der alten Schläue Gwydions des Honigzüngigen, als er antwortete:
    »Ich habe dich nie als Sohn anerkannt, Dylan Eil

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