Die Kinder von Avalon (German Edition)
Ton«, sagte er. »Aber ich habe deine Mutter geliebt. So wie ein Bruder seine Schwester liebt, liebte ich Arianrhod.«
Die Gestalt auf dem Thron beugte sich vor. Es war wie die Bewegung eines Panthers, die sich nächsten Augenblick kraftvoll entladen konnte, oder eher die des großen Kraken der Tiefe, der seine Fangarme entrollt, um mit einem zuckenden Schlag anzugreifen.
»Und welchen Mann hat sie gekannt außer dir«, fuhr der Herr des Meeres fort, »als sie sich Mâth dem Alten als neue Fußhalterin anbot? War es dein Plan gewesen, Gwydion mab Dôn? Wolltest du damit Einfluss nehmen auf den König und das Erbe von Gwynedd?«
»Deine Mutter Arianrhod war stets eine Frau, die wusste, was sie wollte. Sie brauchte mich nicht, um ihre Entschlüsse zu treffen.«
»Aber sie musste wissen, dass nur eine Jungfrau das Amt zu Füßen Mâths innehaben durfte. Hattest du geglaubt, dein Zauber könnte die Tatsache vertuschen, dass sie bereits ein Kind empfangen hatte?«
»Wenn dem so war, dann nur im Geiste, nicht aber im Körper.«
»Und doch entschlüpfte ich ihr, sobald sie über den Druidenstab Mâths stieg –«
»– und krochst gleich in Richtung Meer, ehe ich auch nur Gelegenheit hatte, dir irgendetwas zu erklären.«
»Oh, in Erklärungen warst du immer gut, Erzmagier. Darum entzog ich mich deinen Erklärungen. Entzog mich dieser ganzen grausamen, hinterhältigen Familie von Göttersöhnen und -töchtern, die mit den Geschicken der Welt spielen …«
Hagen war der Unterhaltung mit einer gewissen Befremdung gefolgt. Dies war ja ein völlig neuer Aspekt, dass ihr Führer durch die Anderswelt, den sie immer nur als alten Mann kannten, selbst einen Sohn haben sollte. Und dann noch ein solches Monster.
»… und erst als mein Bruder zu mir kam und mich bat, mich anflehte, dir zu helfen, da erwachte meine Neugierde. Die Welt, sagte er mir, sei in Gefahr, solange die Schätze in den Händen des Herrn von Annwn seien. Das Reich der wässrigen Tiefen ebenso wie das feste Land. Ja, selbst die Menschen des Südens, angeführt von ihrem neuen König, zögen mit gegen Caer Siddi. Und ich glaubte ihm; wer kann den Worten von Llew Llaw Gyffes schon widerstehen? Und du weißt, wie es geendet hat. Von denen, die mit Arthur zogen, kehrten nur sieben zurück.«
Hagen wechselte einen Blick mit Siggi und Gunhild. Jetzt begriff er überhaupt nichts mehr. Llew Llaw Gyffes – der Löwe mit der sicheren Hand. Wo hatte er diesen Namen schon einmal gehört? Und wenn dieser Llew der Bruder Dylans war …
Der Alte ließ ihn seinen Gedanken nicht zu Ende führen. »Das weiß ich. Aber es ist alles, was ich weiß. Irgendetwas hat mich in Bann geschlagen, nachdem ich in die Welt der Lebenden zurückkehrte, und bis vor kurzem habe ich geschlafen und vieles vergessen. Auch den Weg nach Caer Siddi.«
Und Dylan lachte.
Es war ein Lachen, das den ganzen riesigen Körper erfasste. In Weilen pflanzten sich die Zuckungen über den Boden fort, spiegelten sich in den Kristallen der Decke und der Wände, sodass die ganze Halle unter dem Lachen des Meerriesen erbebte. Und es war ein hässliches Lachen. Das Lachen einer Schlange, die nach langem Warten nun die Maus vor sich stehen sieht, hilflos, gelähmt, ausgeliefert.
Das Lachen verebbte. Stille trat ein. Es war, als hielte die ganze Welt den Atem an. Irgendetwas würde geschehen. Irgendetwas Furchtbares, eine uralte, schwelende Rache würde sich nun erfüllen, älter als die Erinnerungen der Menschen. Ein Hass, der so alt und so unauslöschlich war wie die ewige Feindschaft zwischen Land und Meer, würde endlich sein Opfer finden.
Wenn nicht irgendjemand den Bann brach …
Hagen räusperte sich.
Etwas, das im Schatten neben dem Thron kauerte, zur Rechten und zur Linken, regte sich. Augen glühten in der Düsternis, Zähne bleckten. Das Licht, das von den Kristallen zurückgeworfen wurde, spiegelte sich auf schuppiger Haut, unter der dieselbe Kraft schlummerte wie in der Gestalt ihres Meisters.
Die Hunde Dylans hatten Witterung aufgenommen.
»Herr«, sagte Hagen bestimmt, um sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, »wir sind hierher gekommen in der Hoffnung, etwas über den Weg zu erfahren, der nach Caer Siddi führt. Wenn Ihr einer der Sieben seid, die von dort zurückkehrten … dann könnt Ihr vielleicht …« Seine Stimme versagte, wurde überlagert von dem leisen, anschwellenden Grollen der Schatten neben dem Thron.
Die Gestalt auf dem Thron bewegte sich. Es war wie bei dem
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