Die Kinder von Avalon (German Edition)
Drachen, als der mächtige, geschuppte Hals herumgeschwungen war. Es lag etwas Unwiderstehliches, etwas Ausschließliches in der Art und Weise, wie der Herr des Meeres seine Aufmerksamkeit nun Hagen zuwandte.
»Aah«, sagte Dylan. »Und wer bist du, Herr der Lanze? Wieder so ein Zögling Meister Gwydions, den er sich von den Menschen geholt hat, um seine Pläne in die Tat umzusetzen?«
»Ich bin alt genug, um zu wissen, was ich tue«, begehrte Hagen auf.
»Der Rote Drache hat uns hierher geschickt«, meldete sich da auch Siggi zu Wort, »auf dem Drachenweg.«
Die Hunde neben dem Thron knurrten vernehmlich, als Dylan nun von Hagen abließ und den Blick seiner kalten grünen Augen auf Siggi heftete.
»Und was weiß der Drache«, sagte er, gefährlich und leise, »von den Gesetzen des Meeres? So wie Feuer und Wasser nie zusammenkommen, so wird der Drache nie das kalte Herz dessen begreifen, der in der Tiefe wohnt.«
»Aber dieser Drache speit kein Feuer mehr.« Gunhilds Stimme kam ihr selbst dünn und verloren vor, zwischen den kristallenen Wänden, die jeden Laut aufbrachen und verschluckten. »Er ist alt und wartet nur noch auf das Ende. Die Elben des Westens haben die Hoffnung aufgegeben. Der König stirbt. Was hast du dagegenzusetzen, Herr der eisigen Fluten?« Mit jedem Wort gewann sie Festigkeit in dem, was sie sagte. »Kalt ist es in deinem Palast.«
Plötzlich begriff Hagen, was auch ihn so frösteln ließ. In dieser ganzen kristallenen Höhle gab es kein einziges warmes Licht. Alles war kalt wie Stein, hart wie Eis. Er hob die Hand vor die Augen. In dem bläulichen Schimmer, der von den Wänden ausstrahlte, sah selbst sie aus wie die eines Toten.
»Lass mich dir ein wenig Wärme geben«, sagte Gunhild mit einer Stimme, die nicht ihre eigene zu sein schien. »Du sprichst von dem kalten Licht der Tiefe. Ich bringe dir den Sonnenschein.«
In dem Kristall, der an der Kette auf ihrer Brust hing, glomm etwas auf wie ein winziger glühender Funke. Er vergrößerte sich, wurde heller, bis der ganze Stein aus sich heraus zu leuchten schien. Das Licht, das er ausstrahlte, war golden und warm; in seinem hellen Schein verblasste der unirdische Glanz der Halle. Die Schatten, die in den Winkeln gelauert hatten, zogen sich zurück, die Hunde wandten den Blick ab. Die Gestalt auf dem Thron wand sich, als bereite ihr das Licht körperliches Unbehagen.
Heiler und heller glühte der Schein. Die Coranieid waren zurückgewichen. Schutzlos war ihr Herr der Glut der Sonne ausgeliefert, wie ein Meerestier, das an den Strand gespült worden war, um dort zu verenden.
Mit einer Stimme, die direkt aus dem Zentrum des Lichts zu kommen schien, rief Gunhild laut und klar:
»Nicht zu dir wurden wir gesandt, Dylan, Sohn der Welle, sondern zu Arianrhod, deiner Mutter. Lebt sie noch hier, oder hältst du sie als Gefangene im dunklen Verlies?« Der Halbgott auf dem Thron hatte die Hand vor die Augen gehoben. Er zuckte unter den Worten wie unter Peitschenschlägen.
»Bringt sie fort!«, rief er, dass die Kristalle der Grotte klirrten. »Schafft sie mir aus den Augen! Ihr Licht blendet mich. Ich will sie nicht mehr sehen. Bringt sie zu ihr – was immer es nützt oder schadet. Sie wollen zu Arianrhod? Zu ihr sollen sie gehen.«
Gunhild bedeckte ihren Kristall mit der Hand, sodass das goldene Leuchten erlosch oder zumindest nur so gedämpft weiterstrahlte, wie ihre Finger es zuließen. Der Meeresgott hatte sich von ihr abgewandt. Seine Haut, die zuvor vor Kraft geglänzt und geschillert hatte, war nun grau und pockennarbig wie die eines toten Wals.
»Wo geht es weiter?«, fragte Hagen. Aber schon war einer der Coranieid auf sie zugetreten. Lautlos herbeigleitend, schirmten seine Gefährten in ihren silbernen Rüstungen ihren Herrn vor der Gefahr ab, die ihm drohte – einer Gefahr, die in zwei halbwüchsigen Jungen mit Waffen, welche sie nicht einmal richtig zu führen wussten, einem Mädchen und einem alten Mann lag.
Der Meerelbe sagte etwas in seiner unverständlichen Sprache. Obwohl Hagen die Worte nicht kannte, begriff er doch den Sinn.
»Folgen wir ihm«, sagte er.
Am anderen Ende der Kristallgrotte führte ein Gang weiter hinein in das Innere der Insel.
Dunkel war es dort, und die Luft war klamm, als sie eintraten. Erst als sich die hohen silbernen Türen hinter ihnen schlossen, sahen sie voraus Licht durch schmale Fensterschächte dringen.
Es war eine Festung, durch deren Gänge man sie führte. Kein hoch aufragendes
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