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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sie den Hörer abnahm. »Hi.«
    »Hallo. Heute abend wird‘s nichts. Ich hab‘ ein Problem und kann nicht kommen.«
    Judy war geschockt über seinen schroffen und knappen Tonfall. Dabei war er in den letzten Tagen so freundlich gewesen, voller Wärme. Nun aber war er wieder der alte Michael Quercus, der sie an der Tür abgewiesen und aufgefordert hatte, einen Termin mit ihm zu vereinbaren. »Was ist los?« fragte sie.
    »Ist was dazwischengekommen. Tut mir leid, daß ich absagen muß.«
    »Da stimmt doch was nicht, Michael. Nun sag schon.«
    »Ich hab‘s sehr eilig. Ich ruf dich an.«
    »Also gut«, sagte Judy.
    Michael legte auf.
    Judy drückte den Hörer auf die Gabel. Sie fühlte sich verletzt. »Was sollte das denn bedeuten?« murmelte sie vor sich hin.
    Gerade jetzt, wo ich den Kerl so langsam etwas mögen gelernt habe. Was hat er bloß! Warum konnte er nicht so bleiben, wie er Sonntagabend gewesen ist? Oder noch heute morgen, als er mich angerufen hat? Carl Theobald unterbrach Judys Gedanken. Er sah besorgt aus. »Marvin Hayes macht mir ziemliche Schwierigkeiten«, sagte er. »Die haben einiges an schriftlichen Unterlagen, aber als ich ihm sagte, daß ich sie sehen müßte, pflaumte er mich an, daß ich mir nicht mal den Hintern damit abwischen dürfte.«
    »Keine Bange, Carl«, erwiderte Judy. »So etwas wird uns vom Himmel geschickt, um uns Geduld und Nachsicht zu lehren. Ich gehe einfach zu ihm und reiß‘ ihm die Eier ab.«
    Die Agenten in der Nähe hörten sie und lachten.
    »Jetzt weiß ich endlich, wie man Geduld und Nachsicht übt« sagte Carl und grinste. »Das muß ich mir merken.«
    »Kommen Sie mit, ich werde es Ihnen zeigen«, entgegnete Judy.
    Sie verließen das Gebäude und stiegen in Judys Wagen. Nach einer Viertelstunde erreichten sie das Federal Building an der Golden Gate Avenue. Als sie mit dem Lift nach oben fuhren, fragte sich Judy, wie sie sich Marvin gegenüber verhalten sollte. Sollte sie ihn zur Schnecke machen? Oder sollte sie versöhnlich auftreten?Mit der umgänglichen Art klappte es allerdings nur, wenn auch die andere Seite Entgegenkommen zeigte. Und bei Marvin hatte Judy den Punkt, an dem ein verständnisvoller Umgang möglich war, vermutlich ein für allemal überschritten. :
    Vor der Tür zum Dezernat für Organisiertes Verbrechen zögerte sie.
    Okay, ich bin Xena, die Kriegerprinzessin.
    Judy trat ein, gefolgt von Carl.
    Marvin telefonierte gerade. Breit grinsend erzählte er einen Witz. »Also sagt der Barkeeper zu dem Kerl, hör mal, im Hinterzimmer ist ‚ne Nutte, die bläst dir einen, daß dir die Ohren wegfliegen …«
    Judy beugte sich über den Schreibtisch und sagte laut: »Was war das für ein Stuß, den Sie Carl erzählt haben?«
    »Da unterbricht mich gerade jemand, Joe«, sagte Marvin. »Ich ruf gleich zurück.« Er legte auf. »Was kann ich für Sie tun, Judy?«
    Sie beugte sich noch weiter vor, bis ihrer beider Augen fast auf gleicher Höhe waren. »Sie könnten zum Beispiel damit aufhören, uns zu verarschen.«
    »Was ist los mit Ihnen?« fragte er mit gekränkter Stimme. »Was soll das bedeuten, daß Sie meine verdammten Akten noch mal durchgehen, als hätte ich einen Fehler gemacht?«
    Das hatte er nicht einmal unbedingt. Wenn sich ein Täter dem Ermittlungsteam in der Maske eines unbeteiligten Zuschauers oder Zeugen präsentierte, so achtete er natürlich sorgfältig darauf, nicht in Verdacht zu geraten. Der Fehler lag also nicht bei den Ermittlungsbeamten, doch die Folge war, daß sie sich wie Dummköpfe vorkamen.
    »Ich glaube, daß Sie möglicherweise mit dem Täter gesprochen haben«, sagte Judy. »Wo sind die schriftlichen Unterlagen?«
    Marvin strich seine gelbe Krawatte glatt. »Wir haben lediglich ein paar Notizen von der Pressekonferenz, die nicht im Computer gespeichert wurden.«
    »Zeigen Sie mir die Unterlagen.«
    Hayes wies auf einen Flachordner, der auf einem Beistelltisch an der Wand stand. »Bedienen Sie sich.« Judy öffnete den Ordner. Obenauf lag der Lieferschein für eine gemietete kleine Lautsprecheranlage mitsamt Mikrofonen.
    »Sie werden nichts finden«, sagte Marvin, »rein gar nichts.«
    Vielleicht hatte er recht, doch Judy mußte es versuchen, und es war dumm von Marvin, daß er sie daran zu hindern versuchte. Ein klügerer Mann hätte gesagt:
    Na klar, nur zu. Sollte ich etwas übersehen haben, hoffe ich sehr, daß Sie es finden.
    Jeder machte mal Fehler. Doch Marvin hatte sich inzwischen zu sehr auf eine Verteidigungsposition

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