Die Kinder Von Eden : Roman
Frau mit einem Aktenkoffer dem Gebäude. Sie sah ein bißchen wie eine Assistenzprofessorin aus, die von einem langen Abend im Labor nach Hause kam. An der Tür blieb sie stehen und wühlte in ihrem Aktenkoffer nach dem Schlüssel.
Kurz entschlossen stieg Judy aus dem Wagen und ging mit schnellen Schritten über den Rasen zum Hauseingang.
»Guten Abend«, sagte sie und zeigte der Frau ihre Dienstmarke. »FBI-Spezialagentin Judy Maddox. Ich muß in dieses Gebäude.«
»Ist was passiert?« fragte die Frau ängstlich.
»Ich hoffe nicht. Wenn Sie in Ihre Wohnung gehen und die Tür hinter sich schließen, wird Ihnen nichts geschehen.«
Sie betraten gemeinsam den Eingangsflur. Die Frau verschwand in einem Apartment im Erdgeschoß, während Judy die Treppe hinaufstieg. Mit den Knöcheln klopfte sie an die Tür zu Michaels Wohnung. Niemand öffnete.
Was ging hier vor sich? Michael mußte da drinnen sein. Er mußte das Klingeln und Klopfen gehört haben. Er mußte wissen, daß zu dieser späten Abendstunde kein Besucher, der bloß zufällig vorbeikam, so beharrlich sein würde. Irgend etwas stimmte nicht, da war Judy sicher.
Sie klopfte erneut, dreimal, laut und kräftig. Dann drückte sie ein Ohr an die Tür und lauschte. Sie hörte einen Schrei.
Das reichte. Judy ging einen Schritt zurück und trat so fest gegen das Türblatt, wie sie konnte. Sie trug flache Halbschuhe und prellte sich die Sohle des rechten Fußes, doch das Holz um das Schloß herum splitterte: Gott sei Dank hatte Michael keine Stahltür. Judy trat noch einmal zu. Das Schloß war fast gesprengt. Sie warf sich mit der Schulter gegen die Tür, die krachend aufflog.
Judy zog ihren Revolver. »FBI!« rief sie. »Waffe fallen lassen, Hände über den Kopf!« Wieder ertönte ein Schrei. Er hörte sich wie der Schrei einer Frau an, wie Judy verschwommen bewußt wurde, doch sie hatte keine Zeit herauszufinden, was das bedeuten konnte. Sie sprang in den Eingangsflur.
Die Tür zu Michaels Schlafzimmer stand offen. Mit drei raschen Schritten war Judy dort, ließ sich auf ein Knie fallen, streckte die Arme vor und richtete die Waffe ins Zimmer.
Ein fassungsloser Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. Sie sah Michael auf dem Bett, nackt und schwitzend. Er lag auf einer sehr schlanken rothaarigen Frau, die keuchend atmete. Es war seine Ehefrau, wie Judy erkannte. Und sie taten das, was Ehepaare tun.
Die beiden starrten Judy an, ängstlich und voller Unglauben. Dann erkannte Michael sie endlich und sagte: »Judy? Was, zum Teufel … ?«
Judy schloß die Augen. Noch nie im Leben hatte sie sich so idiotisch gefühlt.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir furchtbar leid.«
Kapitel 15
Am frühen Mittwochmorgen stand Priest am Silver River. Er beobachtete, wie der Himmel sich flimmernd auf der wogenden Wasseroberfläche spiegelte, und betrachtete staunend die Leuchtkraft von Blau und Weiß im Licht der Morgendämmerung. Alle anderen schliefen noch. Neben Priest saß der Hund, hechelte leise und wartete darauf, daß etwas geschah.
Es war ein stiller und friedlicher Augenblick, doch Priests Seele fand keinen Frieden.
In zwei Tagen lief sein Ultimatum ab, und Gouverneur Robson hatte noch kein Wort von sich hören lassen.
Es war zum Verrücktwerden. Priest wollte kein weiteres Erdbeben auslösen. Denn diesmal mußte es verheerend sein, mußte Straßen und Brücken zerstören und Wolkenkratzer zum Einsturz bringen. Menschen würden sterben.
Priest war anders als Melanie, die versessen darauf war, sich an der ganzen Welt zu rächen. Er wollte bloß in Ruhe gelassen werden. Zum Schütze der Kommune würde er alles tun. Doch er wußte, daß es klüger war, das Töten möglichst zu vermeiden. Wenn alles vorüber war und das Staudamm-Projekt aufgegeben wurde, wollte Priest in Frieden mit der Kommune leben. Nur darum ging es. Und wenn sie siegen konnten, ohne dabei unschuldige kalifornische Bürger zu töten, stieg die Chance, daß sie ungestört in ihrem Tal bleiben konnten. Was bis jetzt geschehen war, war kaum der Rede wert. Es würde rasch wieder aus den Nachrichten verschwinden, und bald würde sich niemand mehr dafür interessieren, was aus den Verrückten geworden war, die behauptet hatten, Erdbeben auslösen zu können.
Während Priest nachdenklich über den Fluß schaute, erschien Star. Sie schlüpfte aus ihrem lila Umhang und ging ein paar Schritte ins kalte Wasser, um sich zu waschen. Mit hungrigem Blick betrachtete Priest ihren verlockenden Körper –
Weitere Kostenlose Bücher