Die Kinder Von Eden : Roman
einbuchteten. Trotzdem zwang er sich zur Höflichkeit und verhielt sich wie ein dämlicher Vorstadtspießer, der sich einbildete, die Polizei sei dazu da, ihn zu beschützen.
Er atmete gleichmäßig, entspannte seine Gesichtsmuskeln, lächelte und sagte: »Wie geht‘s?«
Der Bulle war allein, ein junger Kerl von etwa Mitte bis Ende zwanzig mit kurzem, hellbraunem Haar.
Der Körper in der Uniform war bereits ziemlich fleischig; in zehn Jahren würde der Mann einen Bierbauch vor sich hertragen.
»Gibt‘s hier in der Nähe irgendwelche Häuser oder Siedlungen?« fragte er.
Priest war versucht zu lügen, überlegte es sich aber rasch anders. Es war zu riskant. Wenn der Bulle auch nur eine Viertelmeile in die richtige Richtung ging, traf er unweigerlich auf die Blockhütten der Kommune – und wäre entsprechend mißtrauisch, wenn man ihn zuvor belogen hatte. Priest entschied sich deshalb für die Wahrheit: »Das Weingut am Silver River liegt nicht weit von hier.«
»Nie gehört.«
Das war kein Zufall. Das Telefonbuch verzeichnete unter der Bezeichnung Silver River Winery nur Paul Beales Adresse und Telefonnummer in Napa. Kein Kommunarde ließ sich ins Wählerregister eintragen. Keiner bezahlte Steuern, denn keiner hatte ein Einkommen. Sie hatten stets auf Geheimhaltung geachtet. Stars Abscheu vor Publicity jeder Art stammte noch aus der Zeit, da die Hippie-Bewegung an der völlig überzogenen Berichterstattung in den Medien zugrunde gegangen war. Andere Kommunarden hatten jedoch ganz handfeste Gründe, sich zu verstecken. Manche hatten Schulden, manche wurden von der Polizei gesucht. Oaktree war Deserteur, Song war einem Onkel davongelaufen, der sie sexuell mißbraucht hatte, und Aneth ihrem Ehemann, der sie nicht nur grün und blau geschlagen, sondern obendrein geschworen hatte, er werde sie notfalls rund um die ganze Welt verfolgen.
Für alle diese Menschen war die Kommune ein sicherer Hafen. Auch unter den neueren Mitgliedern gab es einige, die auf der Flucht waren. Von der Existenz der Kommune konnte man allenfalls über Leute wie Paul Beale erfahren, die ihr eine Zeitlang angehört hatten, dann aber wieder in die Außenwelt zurückgekehrt waren. Diese Ehemaligen gingen aber äußerst vorsichtig mit dem Geheimnis um und gaben es nur selten an Vertraute weiter.
Ein Bulle war noch nie hier draußen aufgetaucht.
»Wieso kenne ich dieses Weingut nicht?« wollte der Polizist wissen. »Ich bin hier schon seit zehn Jahren Hilfssheriff.«
»Es ist ziemlich klein«, sagte Priest.
»Sind Sie der Besitzer?«
»Nein, ich arbeite nur dort.«
»Machen Sie Wein oder was?«
Junge, Junge, was für eine Intelligenzbestie … »Ja, darauf läuft es hinaus.« Dem Bullen entging die Ironie vollkommen. »Und was bringt Sie so früh am Morgen in unsere Gegend?« fuhr Priest fort. »Seit Charlie sich damals hat vollaufen lassen und Jimmy Carter gewählt hat, gab‘s hier keine Verbrechen mehr.«
Er grinste. Es gab keinen Charlie; Priest probierte es lediglich mit einem Witz, der einem Bullen gefallen mochte.
Der Gesetzeshüter verzog jedoch keine Miene. »Ich suche die Eltern eines jungen Mädchens, das seinen Namen mit Flower angibt.«
Ein furchtbarer Schreck durchfuhr Priest, und ihm wurde kalt wie in einem Grab. »O Gott! Was ist passiert?«
»Sie wurde in Gewahrsam genommen.«
»Ist sie verletzt?«
»Nein, sie ist wohlauf.«
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, sie hätte einen Unfall gehabt.« Priest erholte sich allmählich von seinem Schock. »Wie kommt sie in … Gewahrsam? Ich dachte, sie liegt im Bett und schläft.«
»Offenbar nicht. Woher kennen Sie sie?«
»Ich bin ihr Vater.«
»Dann werden Sie mich nach Silver City begleiten müssen.«
»Silver City? Seit wann ist sie denn dort?«
»Seit gestern abend. Wir wollten sie gar nicht so lange dabehalten. Aber sie hat sich einfach geweigert, uns ihre Adresse zu nennen. Erst vor etwa einer Stunde hatten wir sie soweit.«
Priests Herz verkrampfte sich bei der Vorstellung, wie seine kleine Tochter sich in Polizeihaft standhaft weigerte, das Geheimnis der Kommune zu verraten, bis man sie am Ende doch zum Reden brachte.
Tränen stiegen ihm in die Augen.
»Trotzdem war‘s verdammt schwer, Sie zu finden«, fuhr der Polizist fort. »So eine Bande von schießwütigen Spinnern ungefähr fünf Meilen talabwärts sagte mir schließlich, wo‘s langgeht.«
Priest nickte. »Los Alamos.«
»Richtig. Haben so ein riesiges Schild vor ihrem Gelände, wo draufsteht:
Weitere Kostenlose Bücher