Die Kinder Von Eden : Roman
Hörer nicht abzunehmen; nach dem zweiten Signalton schaltete es das Gespräch, automatisch auf die Freisprechanlage um. »Hallo«, sagte sie. »Judy Maddox hier.«
»Hier ist dein Vater, Judy.« ;
»Hallo, Bo. Bist du heute abend zu Hause? Wir könnten …«
Er unterbrach sie. »Mach dein Radio an«, forderte er sie auf. »Schnell! Die Sendung mit John Truth.« Herrgott, was soll denn das schon wieder? Judy stellte das Radio an. Rockmusik ertönte. Sie tippte hastig auf eine Vorwahltaste und erwischte den Sender in San Francisco, der John Truth Live übertrug. Die näselnde Stimme des Moderators dröhnte durch den Wagen.
Er sprach so pompös und dramatisch wie immer, wenn er den Eindruck zu erwecken suchte, er habe Dinge von weltbewegender Bedeutung vorzutragen. »Die staatliche Erdbebenwarte bestätigte inzwischen, daß sich heute ein Beben ereignet hat – also genau an dem Tag, für den die Kinder von Eden ein solches angekündigt hatten. Zu diesem Erdbeben kam es am Nachmittag um vierzehn Uhr zwanzig im Owens Valley. Ort und Zeit stimmen mit den Angaben überein, die uns die Kinder von Eden vor wenigen Minuten bei einem Anruf hier im Studio mitgeteilt haben.«
Mein Gott – die haben es wirklich getan!
Judy war wie elektrisiert. Sie vergaß ihren Frust, und ihre Niedergeschlagenheit war wie weggeblasen. Ihre Lebensgeister kehrten zurück.
»Dieselbe staatliche Erdbebenwarte«, fuhr John Truth fort, »legt jedoch Wert auf die Feststellung, daß weder dieses Beben noch irgendein anderes von einer terroristischen Vereinigung ausgelöst werden konnte.«
Stimmte das? Judy mußte es herausfinden. Was hielten andere Seismologen davon? Eine Reihe von Telefongesprächen war fällig. Im selben Moment sagte John Truth: »In Kürze spielen wir Ihnen eine Tonbandaufnahme der Botschaft vor, die uns die Kinder von Eden zukommen ließen.«
Sie haben die Stimme mitgeschnitten!
Das konnte ein entscheidender Fehler der Terroristen sein. Die hatten bestimmt keine Ahnung, was für eine Fundgrube so eine Tonbandstimme darstellte, wenn Simon Sparrow sie analysierte.John Truth war noch nicht fertig. »Was halten Sie inzwischen von der Sache, liebe Zuhörer? Schenken Sie der Erdbebenwarte Glauben? Oder glauben Sie, daß die Herrschaften dort mit dem Grauen Scherze treiben? Vielleicht spreche ich ja auch einen Seismologen unter Ihnen an, der uns erklären kann, welche technischen Möglichkeiten es gibt. Vielleicht sind Sie auch nur ein besorgter Bürger, welcher der Meinung ist, daß die Behörden seine Sorgen eigentlich teilen sollten – rufen Sie uns auf jeden Fall an.Rufen Sie an bei John Truth Live, und sagen Sie der Welt, was Sie von der Sache halten.«
Es folgte der Werbespot eines Möbelhauses. Judy drehte das Radio leiser. »Bist du noch da, Bo?«
»Ja, sicher.«
»Sie haben‘s also tatsächlich fertiggebracht?«
»Sieht so aus, ja.«
Judy hätte gerne gewußt, ob er wirklich noch unsicher war oder nur vorsichtig. »Was sagt dir dein Gefühl?«
Er gab eine weitere Antwort, die alle Fragen offen ließ: »Daß diese Leute sehr gefährlich sind.«
Judy versuchte, ihr rasendes Herz zu beruhigen, und überlegte, was sie als nächstes tun sollte. »Am besten rufe ich gleich Brian Kincaid an …«
»Was willst du ihm sagen?«
»Was passiert ist – oder, wart mal …« Sie begriff, daß Bo ihr etwas anderes raten wollte. »Du meinst, ich soll ihn nicht anrufen?«
»Ich glaube, du solltest dich erst bei deinem Boß melden, wenn du etwas weißt, das er nicht schon aus dem Radio erfahren hat.«
»Du hast recht.« Judy überdachte die Möglichkeiten, die ihr offenstanden, und beruhigte sich allmählich. »Am besten fahre ich gleich ins Büro zurück.«
Sie bog rechts ab.
»Okay. Ich bin in ungefähr einer Stunde zu Hause. Ruf mich an, falls du zu Abend essen willst.«
Liebe und Zuneigung wallten in ihr auf. »Dank dir, Bo. Bist ein toller Papa!«
Er lachte. »Und du eine tolle Tochter! Bis später!« »Bis später.« Sie drückte die Taste, die das Gespräch beendete, und stellte das Radio wieder lauter.
Eine tiefe, sinnliche Stimme sagte: »Hier sind die Kinder von Eden mit ‚ner Botschaft an Gouverneur Mike Robson.«
In Judys Kopf formte sich das Bild einer reifen Frau mit großen Brüsten und einem breiten Lächeln, nicht unsympathisch, aber ein bißchen exzentrisch.
Das ist meine Gegnerin?
Der Ton veränderte sich. »Scheiße …«, murmelte die Frau. »Ich hätte nicht erwartet, mit einem Tonbandgerät
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