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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Sonnenlicht beleuchtete alles mit unparteiischer Gleichmäßigkeit: Hecken und Mauern, Steine und Grashügel und die weiten rötlich-braunen Flächen des Heidekrauts, in denen wie tote Augen Seen blinkten, ebenso stumpf wie das schwarze Moorwasser in den überwucherten Tümpeln am Wegesrand.
    Wie schon auf dem Hinweg stellte Hagen fest, dass es kaum Lebenszeichen in diesem Land gab. Hier und da stießen sie auf eine Hütte mit weißlichen Mauern, aus Natursteinen ohne Mörtel aufgeschichtet. Doch der Kalk war meist ausgewaschen, die Binsen des Daches verfault und löchrig, dass der Wind hindurchblies.
    Dennoch hatte er das Gefühl, als würde er beobachtet.
    Es war kein bedrohliches Gefühl, aber unangenehm war es doch. Immer wieder glaubte er, aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrzunehmen. Bald ertappte er sich dabei, dass er im Laufen den Kopf ruckartig nach rechts oder links wandte. Doch wenn da etwas war, so war es flink genug, sich immer wieder zu verstecken.
    »Was suchst du?«, fragte Laeg, der zu ihm aufgeschlossen hatte.
    »Ich weiß es nicht«, gab Hagen zu. »Ich habe nur so ein Gefühl.«
    Laeg packte seinen Speer fester. »Ich sag’s den anderen weiter, dass sie aufpassen sollen.«
    Doch nichts geschah. Sie legten eine gute Strecke zurück, und langsam wurde es dunkler. Sie kamen an einen Hohlweg, über dem die Kronen der Bäume rechts und links einander fast berührten und das restliche Licht bis auf einen schmalen Streifen verschluckten. Unwillkürlich verlangsamten sie ihren Schritt, teils wegen des ungewissen Lichts, teils auch, weil der Weg hier zu einem Hügelkamm hin anstieg.
    Auf der Kammhöhe stand jemand.
    Es war nur ein Schatten, grau in der gefleckten Düsternis, die hier herrschte. Und er war nicht menschlich. Aber für ein Tier war er viel zu groß; oder war es nur das Licht, das ihren Augen einen Streich spielte? Einen Moment lang glaubte Hagen, einen riesigen Hirsch dort zu sehen, mit einem mächtigen Geweih. Doch dann, als er zögerlich einen weiteren Schritt näher kam, reduzierte sich die Gestalt auf eine begreifbare Größe, und er erkannte, was es war.
    »Keine Angst. Das ist nur ein alter Freund von mir!«
    Der graue Hund, der ihn nach Teltin geführt hatte und der ihm in der Nacht bei Emain Macha erschienen war.
    Conall hinter ihm schnaubte. Er schien es nicht ganz glauben zu wollen, dass dieses Wesen, das da mitten auf dem Weg vor ihnen stand, ihnen freundlich gesinnt war. »Pass auf!«, knurrte er. »Vielleicht beißt er.« Er schien vergessen zu haben, dass Hagen bereits den Hund des Königs getötet hatte, der die Tore von Teltin bewachte.
    »Er hat mir bis jetzt immer geholfen«, erklärte Hagen. »Er wird uns auch diesmal helfen.«
    Er trat näher heran. Der Hund rührte sich nicht. Er verzog auch nicht die Lefzen zu dem bekannten Grinsen, als würde er sich über ihn, Hagen, amüsieren. Ja, er schien eine abweisende, drohende Haltung einzunehmen.
    Geh zurück!
    Das Bild traf ihn mit voller Wucht: eine blaugrüne Welle, die sich vor ihm aufbäumte und ihn nach hinten schleuderte. Unwillkürlich tat er einen Schritt rückwärts.
    Du wirst nicht finden, was du suchst.
    »Aber … ich kann nicht zurück«, stammelte er. »Ich … ich muss …« Ich muss Gunhild finden, hatte er sagen wollen. Aber wie sollte der graue Hund davon etwas wissen?
    Sie ist nicht dort.
    Ein Bild von leeren Hallen, in perlmuttfarbenem Glanz, von gewundenen Treppen, die in andere, ebenfalls leere Kammern führten, erfüllt von einem blaugrünen Schimmer, als lägen sie tief unter dem Meer. Ein Wirbel, dann nichts mehr.
    »Wo ist sie?«
    Der Hund hechelte.
    »Du weißt es nicht?«
    Der Hund brachte ein beinahe menschliches Kopfschütteln zu Stande. Dann duckte er sich, als wollte er sagen: Kann ich etwas dafür?
    Die anderen hatten dem einseitigen Dialog – denn die Antworten des Hundes waren nur für ihn bestimmt, das war Hagen klar – stumm gelauscht. Jetzt sagte Conall: »Und was wird nun?«
    Hagen sah den Hund an. Der saß immer noch geduckt da – so, als wollte er im nächsten Moment losspringen. Hagen packte den Speer fester.
    »Mach Platz«, sagte er laut. Der Hund hatte ihn schon einmal im Stich gelassen. Wenn dies die einzige Spur war, die zu Gunhild führte, dann sah er keine andere Wahl.
    Du wirst es bereuen, meinte der Hund. Dein Glück wird dich verlassen. Deine Freunde werden sterben. Nichts wird dir übrig bleiben …
    Hagen hob den Speer. Ein verirrter Sonnenstrahl fiel durch das

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