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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Gezweig und brach sich auf der Klinge. Einen Augenblick lang war Hagen geblendet.
    Der Speer flog. Er traf genau auf die Stelle, wo der graue Hund gestanden hatte. Doch der Hund war nicht mehr da.
    »Verdammt! Wo ist er hin?«
    Hagen setzte sich in Bewegung. Die anderen folgten ihm; wie auf ein unausgesprochenes Kommando hin fächerten sie aus, als gelte es, einem Feind zu begegnen. Doch als sie die Kammhöhe erreicht hatten, war nichts von einem Gegner zu sehen. Der Hund blieb verschwunden. Rechts und links stand der dunkle Wald wie eine Mauer. Der Speer, den Hagen geschleudert hatte, steckte vor ihnen mit der Spitze in der Erde auf dem Pfad.
    »Keine Spuren?« Laeg, der ihm dichtauf gefolgt war, bückte sich. Nichts. Nicht einmal Pfotenabdrücke in der feuchten Erde. Keine gebrochenen Zweige oder abgerissenen Blätter in dem dichten Unterholz am Wegrand. Wenn der Hund hier geflohen wäre, hätte man es sehen müssen.
    »D-d-das war k-k-kein gew-wöhnlicher Hund«, meinte Cuscrid.
    »Nein«, sagte Hagen. »Das war kein gewöhnlicher Hund. Aber es macht keinen Unterschied. Wir müssen weiter.«
    Er packte den Speer, und mit einer Kraftanstrengung, in der ein Rest von Wut steckte – Wut über sich selbst, weil er das Gefühl hatte, einen Fehler zu machen, aber auch über den grauen Hund und die ganze Situation – riss er die Klinge aus der Erde.
    Am Abend rasteten sie unter behelfsmäßigen Zelten, die sie aus den mitgeführten Häuten und Stangen errichtet hatten, im Schutz eines Abhangs. Sie versuchten ein kleines Feuer anzuzünden, aber das Holz war nicht trocken genug; das Unwetter, das sie in Teltin nur gestreift hatte, musste hier viel stärker gewütet haben, wie auch abgerissene Äste bezeugten. So hängten sie ihre Vorräte unter den schützenden Planen an die Bäume, damit sie nicht feucht wurden. Die Ponys wurden, nachdem man sie abgerieben hatte, an lange Leinen gebunden, deren anderes Ende man mit Steinen beschwerte, damit sie sich nicht allzu weit vom Lager entfernten. So konnten sie allein nach Futter suchen.
    Die Stimmung war gedrückt, und das nicht nur, weil ihnen allen kalt war. Elend hockten sie im Kreis zusammen, um so einander wenigstens ein bisschen Wärme zu geben. Nicht nur Hagen selbst, auch den anderen ging die seltsame Begegnung am Nachmittag nicht aus dem Sinn.
    »D-d-dieser Hund«, sagte Cuscrid schließlich und blickte erschrocken um sich, als alle Aufmerksamkeit sich plötzlich auf ihn richtete. »W-w-war er … einer der … der Sidhe?«
    »Was weißt du von den Sidhe?« Hagens Stimme klang schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Mein Gott, wie lange war es er, dass er selbst Gunhild von den Sidhe erzählt hatte, dem Feenvolk? Und jetzt stellte er fest, dass er gar nichts darüber wusste.
    Cuscrid verhaspelte sich nun vollends. »Ich … ich …«, stammelte er.
    »Sie lebten hier, bevor wir kamen, die Gälen«, kam da eine Stimme aus dem Dunkel. Es war Erc, der Sohn Felimids des Barden, der gesprochen hatte. »Sie waren ein zaubermächtiges Volk. Sie herrschten über das Land durch ihre heiligen Schätze. Und sie führten gewaltige Kriege. Doch nun sind sie fort, und der Zauber ist mit ihnen vergangen. Uns ist nur noch das Land geblieben, und es wird schwerer von Jahr zu Jahr, dem kargen Boden das zu entringen, was wir für unser Überleben brauchen.«
    »Und was ist aus ihnen geworden?« Hagen ließ sich nicht vom Thema abbringen.
    »Sie zogen sich zurück, in die Hohlen Hügel, ins Land der Verheißung jenseits der neunten Welle, das Land, in dem man ewig jung bleibt.« Und er sang mit heller Stimme:
    »Wundersam ist das Land über alle Maßen,
Schöner als alles, was je deine Augen gesehen.
Dort hängt das ganze Jahr die Frucht am Baum,
Und das ganze Jahr steht auf dem Halm die Blüte.
    Dort fließen von wildem Honig die Bäume des Waldes;
Die Krüge mit Wein und Met werden niemals leer.
Nicht Schmerz noch Krankheit kennt, wer dort wohnt;
Tod und Verderbnis kommen ihm niemals nahe.
    Nie endet das Fest dort, nie ermüdet die Jagd,
Nie verklingt die Musik in den hohen Hallen;
Das Gold und die Edelsteine im Land der Jugend
Überstrahlen allen Glanz, den ein Mensch je erträumt.
    Dort wirst du Pferde haben aus zaubrischer Zucht,
Hunde werden vor dir laufen, schneller als der Wind;
Hundert Helden sollen dir in den Kampf folgen
Und hundert Maiden dich in den Schlaf singen.
    Ein Schwert wird man in deine Hand geben und einen Speer,
Aus unerschöpflichem Kessel wird dir Speise

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