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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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kommen sahen, und die meisten gingen entweder ins Leere oder wurden von den Schilden aufgefangen und prallten harmlos ab. Ein Speer verfing sich im Geschirr eines Pferdes; das Tier scheute, und der Reiter ging zu Boden. Ein weiterer wurde von einem Krieger aus der ersten Reihe zur Seite gelenkt und streifte einen seiner Hintermänner am Bein. Aber im Großen und Ganzen zeigten die Speere wenig Wirkung.
    Siggi und seine Mitstreiter standen einen Augenblick wie angewurzelt da. Dann drehten sie sich um und flohen.
    Der Angriffsschrei des Feindes gellte in ihren Ohren. Hier gab es keine schmale Schlucht mehr, durch die man einzeln oder zu zweit hindurchpreschen musste. Hier war der Weg breit genug, dass drei, vier Pferde nebeneinander Platz hatten. Eine solche Attacke, zudem auf einen fliehenden Feind, war tödlich. Der Anführer der Reiter hob seine Lanze. Sie zielte genau auf Siggis Rücken.
    In diesem Augenblick öffnete sich unter ihm der Boden.
    Wenn wir den Feind nicht mit unseren Waffen bezwingen können, hatte Siggi gesagt, dann muss das Land eben für uns kämpfen.
    Sie hatten die Stelle mit Bedacht ausgewählt. Hier hatte sich während des Unwetters der Fluss seinen Überlauf gesucht und den Weg unterspült. Fleißige Hände hatten die Grube erweitert und vertieft und zu beiden Seiten des Weges mit dem ausgehobenen Erdreich verfüllt, sodass auf den ersten Blick nicht zu sehen war, dass hier eigentlich ein Graben entlangführte. Dann hatte man die Öffnung mit einem Netz aus biegsamen Ruten abgedeckt, mit Rindenmulch und einer dünnen Schicht Erde überzogen und mit Grassoden getarnt.
    Doch unter der trügerischen Oberfläche aus Weiden- und Haselgeflecht lauerten härtere Hölzer: armdicke, angespitzte Stäbe aus Eiche, Esche und Erle.
    Wer dort hineinschlitterte, für den gab es keine Rettung mehr.
    Es gab einen dumpfen Aufschlag, als die erste Welle der Reiter in die Grube stürzte. Der Schrei des Entsetzens wurde zu gellendem Schmerz; es war, als schrie die Erde selbst in Todespein. Zwischen den Trümmern von zersplitterten Pfählen herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Pferde schlugen um sich; Menschen versuchten verzweifelt, sich in Sicherheit zu bringen. Doch am Rande der Grube warteten die Speere auf sie.
    Siggi sah sich plötzlich dem Anführer gegenüber, der sich geistesgegenwärtig mit einem Sprung vom Rücken seines Pferdes gerettet hatte. Den Eberhelm hatte er bei dem Aufprall verloren. Die rote Mähne strömte um das mit blauen Mustern bedeckte Gesicht, in dem weiß und schwarz die Augen unnatürlich grell hervortraten. Im Bruchteil einer Sekunde nahm Siggi dies alles wahr: jede einzelne Pore, jedes Haar. Von ihrem Kampf dagegen blieb ihm nichts im Bewusstsein, nur dass sich das lange, eiserne Schwert des Gegners irgendwie in seinem Weidenschild verfing und dass sich seine eigene Klinge wie von selbst ihr Ziel suchte.
    Dann stand er am Rand der Grube und blickte hinüber zu den verbliebenen Reitern, die der tödlichen Falle entgangen waren. Die Männer hatten Mühen ihre Pferde zu bändigen; das Durcheinander, der Gestank des Blutes, die Schreie machten die Tiere irre. Schnaubend und mit geweiteten Nüstern tänzelten sie auf dem Weg. Schaum troff aus ihren Mäulern. Und auch ihre Herren wussten nicht mehr, was sie tun sollten, nun, da ihr Anführer gefallen war.
    »Ergebt euch!«, rief Siggi. »Dann schonen wir euer Leben!«
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als würden die Angreifer die Waffen fallen lassen. Dann machte einer von ihnen eine Armbewegung, und der Trupp teilte sich. Rechts und links um die Grube herum trieben die Reiter ihre Pferde, die sich vorsichtig und nervös ihren Weg suchten.
    Siggi hob sein Schwert. »Los!«
    Ein Sirren lag in der Luft. Aus dem Unterholz des Waldes tauchten geduckte Gestalten auf. Wo am Rande der Grube die Erde aufgeschüttet worden war, hatten sie freie Bahn. Es waren die ältesten und jüngsten aus Siggis Schar, diejenigen, die einem direkten Kampf Mann gegen Mann nicht gewachsen waren.
    Aber eine Bola ist eine relativ einfache Waffe. Man braucht dafür nur drei mittelgroße Steine, die man mit Seilen zusammenknüpft. Dann wirbelt man sie um die Hand und lässt sie fliegen.
    Siggi hatte davon gelesen, wie die Gauchos auf der argentinischen Pampa noch heute mit diesem primitiven Mittel Pferde einfingen. Wenn sich die Schnüre erst einmal um die Läufe gewickelt hatten, konnte sich kein Pferd mehr auf den Beinen halten.
    Wer nicht zu den anderen in

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