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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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die Grube fiel, wurde von den Umstehenden überwältigt.
    Die letzten drei aus der über zwanzigköpfigen Truppe versuchten zu fliehen. Sie rissen ihre Pferde herum und sprengten den Hohlweg zurück, hinauf in Richtung Passhöhe. Sie ritten genau in die Netze hinein, welche die Bogenschützen inzwischen dort aufgespannt hatten.
    Und plötzlich war alles vorbei. Die letzten der Eingekesselten hatten ihre Waffen weggeworfen, als sie sahen, dass weiterer Widerstand sinnlos war. In dem Jubelgeschrei, das ringsum losbrach, kam Siggi sich seltsam allein vor.
    »Nein, nein«, wehrte er ab, als die anderen ihn auf die Schultern heben wollten. »Seht nach den Gefangenen – und den Verwundeten!«
    Am Abend feierte die Fianna ein Siegesfest. Trotz des Gemetzels hatte es bei ihr keinen einzigen Toten gegeben, wenn auch einige mehr oder weniger schwer verwundet waren und der alte Schmied vermutlich nie wieder würde gehen können. Goll Mac Morna trug seine Verbände wie Ehrenzeichen. Oscar hatte nicht einmal einen Kratzer abbekommen.
    Unter den Gegnern gab es mehr Opfer – sieben Tote und eine Reihe Schwerverletzter. Von den Pferden waren nur zwölf übrig geblieben; einige hatte man töten müssen, weil sie sich die Beine gebrochen hatten. Die überlebenden Krieger hatte man in einen Pferch zusammengesperrt, nachdem Gránia und die Frauen des Dorfes ihre Wunden versorgt hatten.
    Aus den Vorräten, welche die Krieger des Nordens mit sich geführt hatten, war ein festliches Mahl zubereitet worden, wie es die meisten seit langem nicht mehr gekostet hatten, und alle lagen satt und zufrieden am Lagerfeuer – und meist auch ein bisschen betrunken.
    »Oisín!«, rief einer. »Sing uns was!« Andere griffen den Ruf auf. »Ja, spiel uns ein Lied!«
    »Du bist ein Sänger?«, fragte Siggi verwundert. Er hatte seine Fellkleidung inzwischen abgelegt und unter den Beutestücken eine Art Tunika von beinahe weißer Farbe gefunden, in der er sich viel wohler fühlte. Dadurch stach er freilich jetzt noch mehr unter den anderen hervor.
    »Er ist der größte Sänger, den es gibt«, erklärte Oscar großspurig, auf Siggis Frage eingehend, »seit Lugh Langhand vom Erdboden verschwand.«
    Oisín wehrte ab, auch er nicht mehr ganz nüchtern. Doch als die anderen nicht locker ließen, sagte er schließlich: »Also gut, bringt mir die Harfe.«
    Aus der Höhle unter dem Hang trug man einen Ledersack herbei. Oisín löste die Verschnürung. Es war eine prachtvolle Harfe. Ihre Saiten glänzten im Feuerschein. Verschlungene Ornamente aus Perlmutt und Elfenbein an Hals und Klangboden, in feinster Einlegearbeit ausgeführt, erwachten im flackernden Licht zum Leben.
    »Ein Meisterwerk!«, staunte Siggi.
    »Dies ist die Harfe, die einst in Taras Hallen erklang«, sprach Oisín leise, während er die Saiten spannte. »Gránia brachte sie hierher. In ihrem Lied liegt immer noch der Zauber von Erin.« Und er sang:
    »Achtfach ist der Klang der Harfe von Erin, doch selbst ein tausendfaches Lied reicht nicht aus, die Vorzüge Finns zu preisen.
    Ein König ist er und ein Seher, ein Dichter, Druide und Weiser, und alles, was er sagt, tönt den Seinen lieblich im Ohr.
    Er ist ein Stier im Kampf und ein Hirsch auf der Jagd; vor seinem Ruf erzittern die Feinde, und wenn sie ihn stellen, bleibt er Sieger.
    Seine Hand ist überaus großzügig im Verteilen von Reichtümern wie von Lohn: ein Fürst, der niemandem etwas verweigert.
    Und selbst wenn ein Mann nichts anderes hat als einen Mund zum Essen und ein Paar Arme, um ein Geschenk davonzutragen, geht er nicht ohne Gabe davon.
    Bis zum Ende hat keiner sagen können, ob Furcht ihn bewegte; denn niemals machte er kehrt oder blickte zurück …«
    Siggi hielt es nicht mehr aus. Er stand auf und ging vom Feuer weg, in die Schatten. Er fühlte sich unwohl bei solch überschwänglichem Lob. Es war keine Flucht. Früher war er immer weggelaufen, wenn es ernst wurde; inzwischen hatte er gelernt, Verantwortung zu übernehmen und zu seinen Entscheidungen zu stehen. Aber er hatte festgestellt, dass die Verantwortung einsam machte.
    Gewiss gab es auch Helden, die im Licht der Sonne standen, sich in der Bewunderung der anderen badeten. Helden, die Teil einer Gemeinschaft waren, als Erste unter Gleichen. Er aber war ein Held des Mondes, der immer allein seine Bahn zog.
    Ihm war kalt. Er dachte an Gunhild und Hagen. Wo sie jetzt wohl sein mochten? Ob sie ebenso einsam waren wie er?
    Etwas raschelte im Gezweig. Ohne dass er auch nur

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