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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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richtigen Schwertern und Äxten mit Übungswaffen aus Holz gegeneinander – oder mit Schläger und Ball. Sportlicher Wettkampf statt Waffengang. Hagen hatte die wilde Aufregung erfasst, die ihn immer ergriff, wenn er in einer Mannschaft antrat. Sei es Fußball, Eishockey oder Rugby. Immer wieder war es das große Gefühl, einen Wettkampf mit anderen gegen andere zu bestreiten. Es siegte nicht der körperlich Stärkere, sondern meist jene Mannschaft, die das Können des Einzelnen mit dem Mannschaftsgeist kombinierte.
    Und er hatte nicht gerade eine Profi-Mannschaft im Rücken. Aber er hatte sich selbst in diese Sache hineingeritten, und jetzt musste er sehen, wie er mit heiler Haut davonkam. Um nicht zu sagen, als Held …
    Es hatte alles beim Frühstück begonnen; das heißt, genau genommen schon vorher. Er war mit einem Brummschädel aufgewacht und mit einem Geschmack im Mund, als hätte sich tagelang nicht die Zähne geputzt. Waren es die Nachwehen jener übernatürlichen Wut, die er empfunden hatte, als er in die Halle des Königs gestürmt war? Bei Licht betrachtet, schienen es ihm freilich eher die Nachwehen des Mets zu sein, jenes süßen, erfrischenden und ach so trügerischen Honigbiers, von dem er letzte Nacht ausgiebig gekostet hatte.
    Bei Licht betrachtet. Oder besser nicht. Das Licht stach ihm in die Augen, sodass er zunächst kaum sehen konnte, wo er sich befand. Dann erkannte er durch zusammengekniffene Lider, dass er offensichtlich dort geschlafen hatte, wo er betrunken umgefallen war: hinter seinem Sitz in der Halle des Königs.
    Die peinliche Feststellung wurde ein wenig durch die Tatsache relativiert, dass es anderen offensichtlich ebenso ergangen war. Zwar hatten die meisten der Zecher inzwischen das Weite gesucht. Doch die zerwühlten Binsen am Boden zeugten davon, dass noch andere hier genächtigt hatten, und in dem einen oder anderen Winkel schnarchte noch eine Leiche.
    Hagen zog sich vorsichtig an der Bank hoch, bis er aufrecht saß. Nachdem er sich erst an diese Position gewöhnt hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er wieder auf den Beinen stand.
    Er war noch immer so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er nur am Rande wahrnahm, wie sich das Licht im Eingang verdunkelte. Eine schlanke Gestalt, die sich anmutig bewegte. Ein Mädchen. Sie trug ein Bündel in den Händen.
    »Herr, dies schickt Euch der König zum Anziehen.«
    Was vermutlich hieß, dass er nicht gerade wie eine Zierde des Königshofes aussah. Es sei denn, der König hatte grundsätzlich etwas gegen T-Shirts – oder gegen Manchester United.
    »Wo kann ich mich waschen?« Das war alles, was er herausbrachte.
    »Draußen, am Brunnen.« Sie sah ihn an, als habe er mit dieser Frage seine völlige Blödheit unter Beweis gestellt. Oder als sei er ein Monster, dem alles zuzutrauen wäre.
    Er stierte sie aus blutunterlaufenen Augen an. »Wo gibt’s Frühstück?«
    »In der gefleckten Halle.« Sie drückte ihm das Bündel in die Hand und floh.
    Draußen am Brunnen tauchte Hagen erst einmal den Kopf ins Wasser, dann schüttelte er sich wie ein Hund. Danach fühlte er sich etwas besser. Das Kleiderbündel entpuppte sich als ein wadenlanger roter Kittel mit bunten Bordüren. Er kam sich etwas auffällig vor. Aber vielleicht war das bei Helden die übliche Kleidung. Die Beinkleider, mit vielen Schnüren und Laschen, und die Lederlappen, die hier als Schuhe dienten, ließ er lieber beiseite. Da zog er Jeans und Turnschuhe vor.
    Da er ein dringendes Bedürfnis verspürte, sah er keine andere Möglichkeit, als sich an einer nahen Hauswand zu erleichtern. Dabei hatte er das Gefühl, dass aus allen Ecken Blicke auf ihn gerichtet waren. Er zog den Reißverschluss hoch und wandte sich um.
    Im Tageslicht wirkte die Burg König Conors nicht mehr so bedrohlich und übermächtig wie am Abend. Gewiss, sie war immer noch eindrucksvoll: die zweistöckige, runde Königshalle mit ihrem umlaufenden geschnitzten Gebälk; die Wirtschafts- und Nebengebäude; die Stallungen; die hohe, von Türmen gekrönte Umfassungsmauer. Doch bei näherer Betrachtung erwies sich die Architektur als eine Mischung von gemauertem Stein, Holzbohlen und Fachwerk, die Ringmauer streckenweise als eine Verbindung von Erdwall und Holzpalisade. Das Dach des Rundbaus war mit Schindeln gedeckt, die übrigen Gebäude mit Binsen. Es erinnerte ihn mehr an ein Indianerfort aus einem Wildwestfilm – mit ein paar Elementen aus einem Schweizer Bergbauerndorf – als an eine

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