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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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… Nur ein Fetzen eines Gedankens.
    »Hier, trink einen Schluck!«, sagte Eriu und wollte mit einem Becher etwas Wasser aus dem Kessel schöpfen.
    »Nein!« Ein Anflug von Panik. Wenn sie aus dem Kessel trank, dann würde sie alles verraten. »Ich möchte jetzt kein Wasser, danke«, fügte sie ruhiger hinzu. »Kann ich etwas Milch haben?«
    »Haben wir noch Milch?«, fragte Brigid.
    Ériu schüttelte den Kopf. »Die Kuh müsste wieder gemolken werden …«
    »Dann geh ich«, bot sich Gunhild eilfertig an. Sie stand auf und nahm sich den Eimer, der auf einem der steinernen Borde an der Wand stand. »Dann komm ich gleich ein bisschen raus aus dem Mief.«
    Die anderen sahen ihr schweigend nach, als sie den Raum verließ.
    Als Gunhild hinaustrat, war die niedrig stehende Sonne schon lange Schatten. Wo war nur die Zeit geblieben? Auf den Hügeln im Osten war nichts zu sehen, keine Bewegung, weder die Gestalten von Reitern noch das Blinken von Waffen. Hatte sie sich das alles nur eingebildet?
    Sie ging zum Stall, wo die braune Kuh sie schon muhend empfing. Gunhild holte sich den einbeinigen Schemel und begann mit ihrem Werk. Die Kuh war schon sehr viel geduldiger mit ihr als am Anfang. Doch erst, als die ersten Strahlen der weißen Milch in den ledernen Eimer spritzten, fand Gunhild, das Gesicht in die warme Flanke der Kuh gepresst, die Ruhe, über alles nachzudenken.
    Es war Hagen gewesen, dessen war sie sich sicher. Gewiss, er hatte sich verändert, aber das hatte sie selbst in den letzten Tagen vermutlich auch. Obwohl die anderen ihn mit diesem seltsamen Namen genannt hatten, konnte es nur Hagen sein – allein schon deshalb, weil er nach ihr suchte.
    Und er suchte, wie ihr mit Schrecken bewusst wurde, an der falschen Stelle!
    Er würde sie am Meer suchen, dort wo sich ihre Wege getrennt hatten. Und dieser seltsame kleine Mann – ›Erzdruide‹ hatte der König ihn genannt – hatte ihm den Weg dazu gewiesen: dort, wo die drei stehenden Steine ins Meer hinein führten. Gunhild konnte sich des Gefühls nicht erwehren, diesen kleinen braunen Mann schon einmal gesehen zu haben. Aber so sehr sie sich auch mühte, sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Das Einzige, was ihr in den Sinn kam, war das Bild eines flackernden Lichtes in der Dunkelheit.
    Ob er in gutem Glauben handelte, der Alte? Oder führte er etwas Eigenes im Schilde? Sie erinnerte sich an seine Worte: »… und eines Tages wird dieses Land wieder mir gehören.« Und als Hagen nachgefragt hatte, da hatte er abgestritten, überhaupt etwas gesagt zu haben. Nein, sie traute diesem Mann nicht.
    Die Kuh wischte mit ihrem Schwanz über Gunhilds Nacken, und sie schrak auf. Der Eimer war voll. Ächzend streckte sie den Rücken und erhob sich. Die Kuh wandte den Kopf. Der Blick aus den großen dunklen Augen war tief, so verständnisvoll, als wollte das Tier ihr etwas damit sagen.
    »Ach, wenn du nur ein Pferd wärest«, seufzte Gunhild. »Dann könnte ich mich auf deinen Rücken schwingen und davonreiten.« Sie hatte schon mal auf einem Pferd gesessen und traute es sich durchaus zu, im Sattel zu bleiben. Aber ohne Sattel und Zaumzeug? Kaum. Und überhaupt. Der Gedanke, auf einer Kuh zu reiten, wenn sie auch noch so fromm war, hatte etwas so Komisches, dass Gunhild laut lachen musste. Nein, für Kühe gab es keinen Sattel …
    Ihr Blick ging in den Vorraum des Stalles, wo sie die restaurierten Teile des Wagens hingeschafft hatte, um sie hier zusammenzusetzen, was in der Enge der Wohnräume nicht möglich gewesen wäre. Dann sah sie die Kuh an. Hin und her wanderte ihr Blick, während sie die Maße der Kuh mit denen des Geschirrs verglich, das sie neu hergerichtet hatte. Und allmählich dämmerte ihr dabei, welchem Irrtum sie aufgesessen war.
    Dies war kein Pferdewagen. Er war dazu gedacht, von zwei Rindern gezogen zu werden.
    Aber es half ihr trotzdem nichts. Selbst wenn es ihr gelang, die braune Kuh in das Geschirr zu spannen, würde sie allein den Wagen nicht ziehen können. Durch den einseitigen Zug würden sich die Achse und die Räder sofort verkeilen. Und es gab nur dieses einzige Zugtier hier am Ort.
    Es sei denn …
    Der Gedanke erfüllte sie mit einem heiligen Schauder. Er war absurd, gewiss, aber er war so herrlich, so gewaltig, dass er im selben Augenblick, als er ihr in den Sinn kam, zu einem festen, unerschütterlichen Entschluss wurde.
    »Ich werde den Roten Stier zähmen!«
    Sie hatte, ohne es zu wollen, die Worte laut ausgesprochen und

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