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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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und Linken des Hochsitzes war kein Krieger unter ihnen, was die Beobachterin befremdete. Unmittelbar neben dem Thron stand eine junge Frau, fast ein Mädchen noch, die einen Kelch hielt. Die Ähnlichkeit zwischen ihr und dem König war nicht zu übersehen. Auf der anderen Seite stand, in ein blaues Gewand gekleidet, ein weißhaariger, gebückter Mann mit einem sanften Gesicht, der sich schwer auf einen Stab stützte.
    Neben ihm, auf der Stufe des Podests, hockte der kleine braune Mann. Das Blau seines Gewandes, wie es im dämmrigen Licht der Halle erschien, war noch tiefer als das des weißhaarigen Alten. Doch sie waren offensichtlich von ein und demselben Orden.
    Und vor dem Thron stand, umgeben von einer Schar halbwüchsiger Jungen, der junge Krieger in Rot.
    Hagen …
    Als hätte er den Namen gehört, zuckte sein Kopf hoch, aber es gab nichts zu sehen. Der schwarze Vogel war mit den Schatten verschmolzen.
    »Was also soll ich mit dir machen, Cúchullin?« Der König hatte sein Kinn schwer auf die Faust gestützt. »Fergus, mein Recke, kam im Morgengrauen. Er sagte, die Ban-Sidhe habe dich getötet. Sie habe dich mit ihrem Gesang in ihren Bann gezogen und dir das Leben ausgesaugt. Er habe es mit eigenen Augen gesehen. Und so erklärte ich ihn zum Sieger des Wettstreits.«
    »Und wie sah er aus, der Sieger?«
    »Wie ein Mann aussieht, der mit den Elementen gekämpft hat«, ergriff der weißhaarige Alte neben dem Thron das Wort. »Seine Kleider waren zerrissen, sein Haar zerrauft, seine Waffen voller Erde. Aber er lebte.«
    »Und welchen Beweis habt Ihr für diesen heldenmütigen Kampf?«
    »Sein Wort«, sagte der König.
    »Sein Wort?« Eine Zornesader schwoll auf Cúchullins Stirn. Er hob den Speer hoch, dass die Klinge aufblitzte. In dem gefilterten Licht, das durch das hohe Kegeldach hereindrang, schien die Gestalt des jungen Kriegers zu glühen. »Diesen Speer empfing ich von der Macha, der Kriegsherrin von Erin, als ich sie in den Tiefen des Grabes zur Ruhe bettete. Ein Gott half mir, ihn mit diesem Schaft zu vereinen, der aus dem lebenden Holz von Emain Ablach geschnitten ist. Das ist der Beweis, der gegen Fergus’ Wort steht!«
    »Dann nennst du den Recken des Königs einen Lügner?«
    »Das letzte Mal, als ich ihn sah«, erklärte Cúchullin, »da verkroch er sich vor Angst in den Büschen, nur um der Ban-Sidhe nicht in die Augen blicken zu müssen. Aber es freut mich zu hören, dass er lebt. Und wo verkriecht er sich jetzt?«
    »Er ist gestern mit dem Rest meiner Krieger nach Süden geritten.« Die Stimme des Königs klang schärfer als beabsichtigt. »Um die Steuern einzutreiben, jetzt, da die Ernte eingebracht ist.«
    »Ihr sagt, das alles war … gestern ?« Verwirrung lag in Cúchullins Stimme.
    »Ja, gestern. Mit dir hatten wir nicht mehr gerechnet.«
    »Du warst einen Tag und eine Nacht im Bauch der Erde«, sagte der kleine Mann, der auf der Stufe des Thrones saß. »So war es und so wird es immer sein, wenn einer den Weg in die Anderswelt findet …«
    »Die Anderswelt? Aber ich dachte …«
    »Genug!« Der König schnitt ihm das Wort ab. »Mir scheint, das hier die Götter ein Spiel mit uns treiben, in dem jede Entscheidung, die man treffen kann, die falsche ist. Ich habe Fergus in seinem Amt als Recke von Erin bestätigt, weil er, wie es beschworen war, am Morgen als Einziger von Emain Ablach zurückkehrte. Ich kann nicht von diesem Schwur zurücktreten. Was ratet Ihr mir, Cathbad«, fragte er, an den alten Mann zu seiner Rechten gewandt, »und Ihr, Amergin, als Erzdruide von Erin?«
    »Macht ihn zum Anführer der jungen Krieger«, riet der Alte mit dem sanftmütigen Gesicht. »Er ist es ohnehin schon, und sie sind Eure Helden von morgen.«
    »Aber lasst ihn zuvor den Eid auf Euch leisten«, fuhr der kleine Mann auf der Stufe fort. Er blickte hoch, und seine dunklen Augen blinkten. »Damit er für Euch kämpft und nicht gegen Euch.«
    »So sei es«, sagte der König. »Bist du gewillt, mir, Conor Mac Nessa, König von Ulad, die Treue zu schwören?«, fuhr er fort, an den jungen Mann gewandt, den sie Cúchullin nannten.
    Der zögerte einen Augenblick lang.
    Tu’s nicht, Hagen, tu’s nicht! , wollte der Vogel rufen – nein, die Beobachterin, die in dem Vogel steckte und durch seine Augen sah. Es war alles sehr verwirrend.
    Das Rascheln im Gebälk ließ den kleinen Mann vor dem Thron aufblicken. Der Vogel duckte sich in die Schatten.
    Der Krieger sah sich um. In den Gesichtern der jungen Burschen,

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