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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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hatte.
    Kein Opfer von Schafen oder Rindern.
    Ein Menschenopfer.
    In panischer Angst krabbelte sie weiter rückwärts. Der Weg zum Licht erschien ihr endlos lang. Doch dann plötzlich, als ihre Schulter bereits die Bogenöffnung streifte, merkte sie, dass sie selbst mit ihrem Körper das Licht blockiert hatte.
    Sie starrte durch das Fenster in den Brunnen. Sie hatte keine Kraft, noch weiter zu kriechen, wieder in die Dunkelheit. Ob sie es schaffen würde, sich hier hindurchzuzwängen?
    Gunhild schob den Kopf durch die Öffnung, dann erst die eine und dann die andere Schulter. Halb über der Tiefe hängend, grabschte sie nach irgendetwas, das sie packen könnte. Das Seil! Das Seil, an dem der Eimer zum Wasserholen in die Tiefe herabgelassen wurde. Würde es sie halten?
    Hand über Hand zog Gunhild sich am Seil entlang und gleichzeitig ins Freie. Dann steckte sie fest.
    Ich habe zu breite Hüften. Ich habe zuviel Fett angesetzt. Panik mischte sich mit dem irren Verlangen laut loszukichern.
    Stoff zerriss. Sie kam frei. Einen Moment lang hing sie über dem Abgrund.
    Aus der Tiefe des Brunnens blinkte es golden herauf.
    Das Licht blendete sie, und Gunhild vergaß, wo sie war. Sie vergaß, dass sie nur mit den verkrampften Fingern am Seil hing, ohne einen anderen Halt. Einen Augenblick lang hing sie zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Leben und Tod.
    Dann fassten sie starke, hilfreiche Hände und zogen sie über den Brunnenrand in Sicherheit.
    Wie ein Häufchen Elend kam sie sich vor, als sie den Kopf hob und in Érius strenge Augen blickte. In diesen Augen sah sie sich selbst: Ihr Haar war verfilzt und von Staub und Spinnweben bedeckt, ihr Gesicht dreckig, ihr Kleid zerrissen. Sie blutete an der Hand, und ihre Knie waren aufgeschürft. Aber sie gab noch nicht auf.
    »Ich habe alles gehört.« Ihre Stimme war rau wie Asche. »Ihr wollt mich opfern, im schwarzen Kreis, bei Neumond, in drei Nächten. Ich weiß alles. Aber ihr kriegt mich nicht. Hagen«, keuchte sie, »Hagen wird kommen und mich retten …«
    »Dummes Kind«, sagte Eriu. »Schlafe!«
    Und Gunhild schlief.



13
Die Schlacht der Bäume
    In den Tagen, die folgten, fragte Siggi sich mehr als einmal, was er sich da aufgehalst hatte. Er hatte sich nie für einen großen Anführer gehalten. Das einzige Mal, wo er eine Mannschaft geführt hatte, war bei einem Fußballspiel gewesen, als ihr Kapitän sich den Fuß verstauchte und Siggi für die Dauer einer Halbzeit vom Trainer die gelbe Armbinde verpasst bekam. Es hatte ihm sogar Spaß gemacht. Das hatte ihn selbst am meisten überrascht.
    Früher war er immer nur davongelaufen. Aber das hatte er sich abgewöhnt, seit seinen Abenteuern in der Anderswelt. Manchmal war es nötig, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Und nun trug er die Verantwortung für diesen zusammengewürfelten Haufen, ob er es wollte oder nicht.
    Das Einzige, was ihn ein wenig beunruhigte, war die Bewunderung, die man ihm von allen Seiten entgegenbrachte und die zum Teil schon in Verehrung umschlug. Insbesondere der kleine Oscar himmelte ihn regelrecht an. Anfangs hatte er es gar nicht so übel gefunden. Dann aber hatte es begonnen ihn zu stören.
    »Leute«, sagte er, »ich kenn mich hier nicht aus. Ihr müsst mir sagen, was wir machen können. Ihr kennt die Gegend, ich nicht.«
    In seinen ruhigen Minuten sagte er sich natürlich, dass es ein Wahnwitz war, mit diesem Haufen von Verlierern gegen einen Trupp professioneller Krieger anzurücken. Aber zum Glück gab es nicht viele ruhige Minuten.
    Er hatte keine Ahnung, auf welchem technologischen Stand die Krieger des Nordens waren. Sie waren beritten, das stand fest. Vermutlich trugen sie eine Art Panzerung; aber viel mehr darüber hatte er nicht in Erfahrung bringen können. Gern hätte er seine Truppe mit Pfeil und Bogen ausgerüstet; denn Robin Hood spukte ihm immer noch im Kopf herum, und er wusste, dass Langbögen eine der wenigen wirksamen Waffen waren, einen Panzer auf Distanz zu durchbrechen. Das Bild von Bogenschützen in den Bäumen, die aus der Entfernung die Reiter aus den Sätteln schossen, hatte etwas Verlockendes.
    Und der Gedanke, dass man selbst dabei sicher war, hatte geradezu etwas Bestechendes. Denn bei diesem Unternehmen würden Menschen verletzt werden. Oder sogar sterben.
    Aber das Einzige, was seine Leute hatten auftreiben können, waren ein halbes Dutzend einfacher Bögen, keiner davon länger als ein Arm, für die Jagd auf Kleinwild, und die bestanden nur aus einem

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