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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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die ihn umgaben, war nichts als Anbetung zu lesen und eine wilde Hoffnung. Es war ihm alles andere als recht, diesem wildfremden König einen Treueid zu leisten. Aber konnte er die Freunde, die so an ihn glaubten, enttäuschen. Und wer weiß, vielleicht half es ihm ja in seinen eigenen Plänen …
    »Ich will«, sagte er.
    »Dann sprich mir nach: ›Wenn ich die Treue breche …‹«
    »Wenn ich die Treue breche,
möge die grüne Erde sich auftun und mich verschlingen,
möge das graue Meer sich erheben und mich ertränken,
möge der blaue Himmel niederstürzen und mich zerschmettern
in Ewigkeit!«
    Die Umstehenden jubelten und klopften ihm auf die Schulter, und es hätte nicht viel gefehlt und sie hätten ihn selbst auf die Schultern gehoben.
    »Und was wird mit Fergus?«, fragte der König, an seine Berater gewandt. »Immerhin hat er mich getäuscht, wenn er auch auf seine Art die Wahrheit gesagt hat, wie er sie kannte.«
    »Ich werde ihn suchen«, sagte Amergin und erhob sich. »Gebt mir eines Eurer schnellsten Pferde.«
    »Fergus und seine Männer haben die schnellsten Pferde bereits mitgenommen«, wandte der König ein. »Dann«, sagte Amergin, »werde ich wohl fliegen müssen wie ein Seeadler, um ihn zu erreichen …«
    »… und doch wird Fergus Mac Roy seinem Schicksal nicht entrinnen«, fügte Cathbad, der Druide, mit sanfter Stimme hinzu.
    Der jüngste Gefolgsmann des Königs hatte inzwischen die Aufmerksamkeiten seiner Bewunderer erfolgreich abgewehrt. »Ich brauche eure Hilfe«, sagte er hastig zu den jungen Leuten, die ihn umstanden. »Und ich muss irgendwo an ein Boot kommen, das mich aufs Meer hinausträgt, nicht weit, nur ein Stück …«
    »Das ist kein Problem«, erklärte einer von ihnen, ein flachshaariger Junge, einen Kopf kleiner als er selbst. »Mein Vater hat einen Currach, den kann man zerlegen und …«
    »Dann kommt!« Er wandte sich zum Gehen.
    »Was hast du da in der Hand, Laegaire Buadach?« Die Stimme des Erzdruiden war so scharf, dass alle im Raum in der Bewegung erstarrten.
    »Nichts«, sagte der blonde Junge. »Nur … eine Krähenfeder.«
    Die scharfen dunklen Augen Amergins durchstreiften das Gebälk der Halle. Das Auge des Vogels blinkte in der Dunkelheit. Einen winzigen Moment trafen sich der Blick des Vogels und des Mannes, wurden eins.
    »Dort, die Krähe!« Er zeigte mit dem Finger. »Sie ist ein Spion! Tötet sie!«
    Der Leibwächter zur Rechten des Königs hob seinen Bogen. Ein Pfeil zischte durch die Luft, bohrte sich durch Federn, Fleisch und Knochen, nagelte sein Opfer an das Gebälk. Die Welt verging in einer Explosion von Blut.
    Gunhild schrie. Der Pfeil war in ihrer Lunge, ein brennender Pfahl in ihrem Leib. Sie bekam keine Luft mehr. Überall war Blut. Blut in ihrem Mund, Blut an ihren Händen, ihrem Kleid. Sie würgte. Schatten umflatterten ihr Blickfeld, wurden dichter. Schwärze übermannte sie.
    »Was ist, Kind?« Eriu war bei ihr, stützte sie. Andere hilfreiche Hände griffen nach ihr, dass sie nicht fiel:
    Brigid. »Was hast du gesehen?«
    Sie blickte an sich hinunter. Da war nichts. Kein Pfeil, der aus ihrer Brust ragte. Kein Blut. Der große bronzene Kessel vor ihr stand reglos, stumm, nur ein Stück Metall, ohne jede Magie. Eine kreisrunde Welle lief vom äußeren Rand nach innen und durch den Mittelpunkt wieder zurück, ehe sie verebbte.
    Auf dem Grunde des Kessels trieb eine schwarze Feder.
    »Ich war eine Krähe«, hörte Gunhild sich sagen. »Ein Pfeil hat mich getroffen. Dann bin ich aufgewacht.« Jetzt erschien es ihr alles wie ein Traum, obwohl ihr Geist, befreit von den Beschränkungen des Vogelhirns, mit einem Mal scharf und klar war wie nie zuvor.
    »Aber was hast du gesehen, mein Vögelchen?«, kam die meckernde Stimme der Caillech von jenseits des Kessels aus dem Halbdämmer des Raumes.
    »Ich habe es vergessen«, log Gunhild.
    Sie bemerkte den viel sagenden Blick, der zwischen den drei Frauen gewechselt wurde, eine ungeheuer komplexe Verständigung: Sagt sie die Wahrheit? Ich weiß es nicht, aber ich glaube, sie sagt uns nicht alles. Lassen wir sie; wenn wir sie zwingen, erfahren wir doch nicht, was wir wissen wollen.
    »Ich brauche frische Luft«, sagte sie dann. »Es ist unheimlich stickig hier drin. Kann ich mal raus?«
    Wieder der vielschichtige Blickwechsel. Wo will sie hin? Was verschweigt sie uns? Wie können wir es erfahren? Aber schon verblasste das übernatürlich geschärfte Bewusstsein, machte gewöhnlichem Denken Platz.
    Der Kessel

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