Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Gastfreundschaft anderer Leute aus.«
Das brachte sie, wie er genau wusste, erst recht in Rage. Die selbsternannten großen Gönner von Estorr und der Konkordanz wollten stotternd bei der Advokatin protestieren. Anscheinend war Herines Rausch inzwischen verflogen, und sie starrte Jhered halb verlegen und halb gereizt an. Ungerührt erwiderte er ihren Blick.
»Wenn du nicht willst, dass diese Unterhaltung öffentlicher wird, als sie sein sollte, dann schicke sie fort, meine Advokatin«, übertönte er die zunehmende Unruhe.
»Ich kann mich nicht erinnern, dir eine Audienz gewährt zu haben, Schatzkanzler Jhered.«
»Und ich kann mich nicht erinnern, wann meine Advokatin jemals einer solchen Dummheit zum Opfer gefallen wäre«, erwiderte er. »Bitte. Sofort.«
Herine betrachtete ihn einen Moment und nickte knapp.
»Ich werde Euch morgen wieder zu mir rufen«, sagte sie. »Für den unhöflichen Auftritt meines Schatzkanzlers bitte ich um Vergebung.«
Darauf entstand unter den Gönnern ein erleichtertes Kichern. Jhered biss die Zähne zusammen, um nicht aus der Haut zu fahren, und hielt Herines Blick stand. Ihr Geliebter löste sich widerstrebend aus der zärtlichen Umarmung der Advokatin und stand auf, um Jhered mit einem schmollenden Blick zu bedenken.
»Die Advokatin trifft ihre Entscheidungen stets zum Wohle der Konkordanz. Es ist nur recht und billig, dass wir unsere Triumphe feiern«, sagte er. Seine Stimme zitterte und war heller, als sein Körperbau vermuten ließ. »Ihr solltet Euch überlegen, dass …«
Jhered packte ihn unterm Kinn und verschloss ihm den Mund. Dann schob er den Burschen rückwärts zur Tür und erklärte ihm unterwegs, was er von ihm hielt.
»Niemals wird der Augenblick kommen, an dem ich die Ratschläge eines halben Mannes annehme, der doch nur sein Gemächt verlieren wird, falls er uns alle überrascht und sich als zeugungsfähig erweist. Ich frage mich, ob sie nicht einen Fehler gemacht hat, als sie dich wählte. Es scheint mir, als hättest du deines bereits verloren. Raus!« Er stieß ihn durch die Tür hinaus, sodass er bis zur gegenüberliegenden Wand taumelte. »Verschwinde!«
Dann drehte er sich um und knallte die Tür zu. Im letzten Moment sah er noch das kaum verhohlene Lächeln eines Wächters. Die Miene des Geliebten sprach dagegen von Mord und Totschlag. Sollte er es ruhig versuchen. Jhered kehrte zur Advokatin zurück und erwartete eine heftige Reaktion, doch sie war amüsiert. Diese Taktik war ihm längst bekannt, und so nahm er sich zusammen.
»Oh Paul, so darfst du doch meinen neuen Geliebten nicht behandeln. Er ist ein zartes Pflänzchen.«
»Er ist ein dummer Ochse«, knurrte Jhered, »und ich werde diese Trottel, mit denen du dich umgibst, genau so behandeln, wie sie es verdienen.«
»Damit machst du dir nur noch mehr Feinde.« Sie musste lächeln und hob das Weinglas zum Mund. Jhered zuckte mit den Achseln. »Ich weiß, ich weiß«, fuhr sie fort. »Setzen wir sie meinetwegen einfach zu den anderen auf die Liste. Hast du dich jetzt beruhigt, oder muss ich die Wachen rufen!«
»Ich bin für dich sicher keine größere Gefahr, als du es mit dieser lächerlichen Entscheidung für dich selbst bist. Feierliche Spiele? Was ist nur in dich gefahren? Hat dir dieser Zirkel von hohlköpfigen Waschlappen etwas unter den Wein gemischt?«
»Paul, ich möchte …«
»Und bei Gott, der uns alle umarmen möge, was soll denn überhaupt gefeiert werden?«
Herine holte tief Luft. »Setz dich, Paul.«
»Nein, ich stehe lieber.«
»Du wirst tun, was deine Advokatin dir befiehlt, Schatzkanzler Jhered.«
Jhered räusperte sich. »Sind wir nicht über solche Spielchen hinaus?«
»Willst du mir nach deinem großartigen Auftritt ernsthaft diese Frage stellen?«
Jhered hielt inne und atmete tief durch. Genau das war der Grund dafür, dass er sich niemals mit einer Frau niederlassen wollte. Sie hatten etwas an sich, das ihn in kürzester Zeit zur Weißglut brachte. Er hob beschwichtigend die Hände und setzte sich.
»Wein?«
»Nein, danke«, sagte er. »Herine, ich bin nicht hergekommen, um mit dir zu streiten oder mich von dir abkanzeln zu lassen. Ich will einfach nur wissen, was auf Gottes großer Erde dich auf die Idee bringt, solche feierlichen Spiele könnten deiner Position oder der Konkordanz da draußen in der großen Welt irgendwie nützen.«
»Im tiefsten Dusas haben wir …«
»Wir?«
Herine deutete auf die leeren Kissen. »Wir. Es war nicht nur das kalte
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