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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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schon ein Stück Land ausgesucht?«, fragte Vasselis, der anscheinend seine Gedanken gelesen hatte.
    Jhered deutete auf ein Tal, in dem es, wie er wusste, einen ausgezeichneten Angelplatz gab.
    »Am Nordhang über dem Phristos-See«, erklärte Jhered. »Gutes Weideland für meine Pferde und die beste Aussicht in Caraduk.«
    »Außerdem kannst du den Marmor in Glenhale schlagen und stromaufwärts liefern lassen. Ein schöner Platz, auch wenn ich dir hinsichtlich der Aussicht widersprechen würde. Es ist höchstens die zweitbeste.«
    »Immer vorausgesetzt, sie ist nicht erobert und gebrandschatzt, wenn es für mich an der Zeit ist, meine alten Knochen auszuruhen.« Jhered wunderte sich selbst über seine Hoffnungslosigkeit.
    Vasselis sah ihn von der Seite an und runzelte unter der breiten Krempe seines Huts die Stirn.
    »Jetzt übertreibst du aber«, sagte er.
    »Wirklich?«, gab Jhered scharf zurück. Seit jenem Abend war seine Achtung Vasselis gegenüber stark gesunken, und die Enttäuschung nagte immer noch an ihm. »Worauf gründest du deine Einschätzung?«
    »Ich reise häufig nach Estorr, Paul.«
    »Aber du siehst nicht, was die Einnehmer sehen.«
    »Dann kläre mich doch auf.«
    Verdammt sei dieser Mann mit seiner Verständnisbereitschaft.
    »Wir stehen unter Druck. Der Sieg in Tsard ist nicht gewiss, obwohl dort so viele gute Generäle und erfahrene Legionen eingesetzt sind. Die Front an der Grenze von Omari und Dornos ist zum Stillstand gekommen. Hinzu kommt die Flotte, die wir im Tirronischen Meer, in Gorneons Bucht und im großen Nordmeer unterhalten müssen. Wir haben unsere Kräfte zu weit zersplittert. Die Überfälle in Atreska und Gosland beeinträchtigen die Moral und Loyalität unserer Bürger. Auch Gestern gerät immer mehr unter Druck. Als wäre das noch nicht genug, gelingt es auch Yuran nicht, die inneren Unruhen in seinem Land beizulegen. Eines Tages werden wir uns eine blutige Nase holen, wenn nicht noch Schlimmeres. Was wird dann geschehen? Eines ist jedenfalls sicher. Die Spiele sind nicht die Lösung.«
    »Darin stimmen wir überein.«
    »Tsard ist stark und entschlossen, und wir haben keine nennenswerte Verteidigung mehr«, sagte Jhered. Er war froh, dass ihm endlich jemand zuhörte; in Estorr hatte es niemand tun wollen.
    »Gegen wen denn?«
    »Gegen eine schwere Niederlage.«
    »Das ist aus deinem Munde eine kühne und beunruhigende Aussage«, erwiderte Vasselis ernst.
    »Du warst nicht in Atreska oder Tsard.«
    Es gab eine Pause. »Du meinst es ernst, was?«
    Jhered wäre beinahe aus der Haut gefahren. »Siehst du mich lachen, Marschall?«
    »Nein«, erwiderte Vasselis. »Nein, das sehe ich nicht.«
    Jhered hatte ihn nicht vor den Kopfstoßen wollen. Er war ebenso schnell wieder mürrisch geworden, wie sich seine Stimmung zuvor gehoben hatte. Er schwieg eine Weile.
    »Wie lange dauert es noch, bis wir es sehen?«
    »Was denn?«
    »Westfallen natürlich.«
    »Entschuldige«, sagte Vasselis. »Ich habe an etwas anderes gedacht.« Er kratzte sich unter dem Hut am Kopf. »Nicht mehr lange. Nur noch diese Anhöhe dort hinauf, und dann siehst du es unter uns liegen wie das perfekte Bild des Friedens, das es zweifellos auch ist.«
    Jhered bemerkte, wie Vasselis’ Augen glänzten, und endlich konnte er das Gesicht zu einem warmen Lächeln verziehen.
    »Gibt es eigentlich irgendetwas, das dir wichtiger ist als diese anscheinend unvergleichliche Stadt?«
    »Abgesehen von meiner Frau und meinem Sohn? Eigentlich nicht.« Er kicherte und entspannte sich. »Du warst wohl noch niemals hier, oder? Du hast, meinen guten Ratschlägen zum Trotz, immer nur Untergebene geschickt, um die Steuern einzunehmen.«
    »Vielleicht hatte ich ja unbewusst immer Angst vor dem, was unter der Oberfläche lauern mochte«, erwiderte Jhered. Dabei fragte er sich allerdings, ob er selbst glaubte, was er gerade gesagt hatte.
    »Das ist nicht nötig«, erklärte Vasselis.
    »Das werden wir noch sehen.« Jhered rieb sich den Staub aus den Augen. Es war ein heißer Tag. Der Himmel war strahlend blau, die Luft stand reglos im flachen Tal, in dem sie bergauf ritten. »Wie lange ist es überhaupt her, dass ich das letzte Mal in Cirandon war?«
    »Ungefähr zwei Jahre«, erwiderte Vasselis.
    »Dein Sohn ist in der Zwischenzeit doppelt so groß geworden.«
    Er sah sich nach Kovan um, der bei seiner Ermittlungsgruppe ritt und mit den Leuten schwatzte. Netta fuhr in einem gedeckten Wagen, der sie vor der Sonne schützte. Kovan war

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