Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
gezeigt, wie viel Gutes du bewirken kannst. Das haben auch Ossacer und die anderen getan, aber du hast zwei Tiere gerettet. Sie können dir nicht gratulieren, sie müssen misstrauisch bleiben. Das ist ihre Aufgabe. Aber mach dir keine Sorgen und ruh dich lieber aus. Sie werden morgen sicher wieder mit dir sprechen wollen.«
»Warum können sie uns nicht einfach so akzeptieren, wie es alle andere hier tun?«
Meera seufzte. »Oh mein Lieber, das ist eine schwierige Frage. Die Welt ist groß und voller Missgunst, und die Menschen haben Angst vor Dingen, die sie nicht verstehen. So war es eine Weile auch in Westfallen. Der Orden sieht die Dinge nicht so, wie Elsa Gueran sie sieht. Eines Tages wirst du es verstehen.«
»Warum ist der Orden dann nicht hier und stellt uns Fragen?« Meeras Miene verdüsterte sich. »Weil sie nicht daran interessiert sind, Fragen zu stellen oder ein gerechtes Urteil zu fällen. Wir können uns freuen, dass uns die Advokatur und nicht der Orden prüft.«
Obwohl er ihr zusetzte, wollte sie nichts weiter verraten.
Elsa Gueran wusste nicht, ob sie sich fürchten oder erleichtert sein sollte, ob sie sich lieber fügen oder sich auflehnen wollte. Allein stand sie im Haus der Masken vor Jhered, Harkov und D’Allinnius. Falls irgendjemand hier wirklich der Ketzerei schuldig war, dann musste sie an erster Stelle genannt werden. Die hübsche oder sogar schöne Frau hatte systematisch die Lehren des Ordens in ihrem eigenen und Westfallens Interesse verraten. Dies dachte Jhered jedenfalls, als er vor ihr stand. Ob sie ihn eines Besseren belehren konnte? Vielleicht konnte dies auch Harkov während der darauf folgenden Analyse tun.
»Ich weiß, dass Ihr schlecht von mir denken müsst, Schatzkanzler Jhered. So bitte ich nur darum, dass Eure Fragen gerecht sind und dass Ihr Euch meine Antworten anhören werdet. Ich bin sicher, dass ich in allem, was ich tue, Gottes Willen erfülle.«
»Seid versichert, dass ich sehr wenig von Euch halte. Die Tatsache, dass Ihr die Gewänder einer Leserin tragt und stolz im Haus der Masken sitzt, ist bereits eine Beleidigung. Es dreht mir den Magen um, da dies offenbar nur möglich ist, weil Ihr Komplizen innerhalb des Ordens habt, die Euch helfen, Eure Täuschung aufrechtzuerhalten. Ich frage mich, wie weit dies nach Estorr hineinreicht.«
»Soll ich diese Frage wirklich beantworten?«, fragte sie. Es fiel ihr schwer, angesichts seines heftigen Angriffs ihre Gefühle zu verbergen.
»Wir können ebenso hier wie an jedem anderen Punkt beginnen, und dies ist vielleicht noch die einfachste Frage, auf die Ihr heute antworten müsst«, sagte er. »Fahrt fort. Ich höre zu.«
»Was auch immer ich für den Orden als Organisation empfinde, und wie ich persönlich zu seinen Auslegungen stehe, kann in keiner Weise die außerordentlichen Dinge beeinflussen, die wir hier tun«, erwiderte Elsa. Jhered war überrascht, dass sie sogar lächelte. »Warum also sollte der Orden den Ruhm dafür beanspruchen?«
»Ihr habt meine Frage nicht beantwortet«, sagte Jhered.
Elsa erwiderte freimütig seinen Blick. Durch die offene Doppeltür strömte das Licht der Nachmittagssonne herein. Es spiegelte sich auf den polierten Schnitzereien, mit denen jedes Stückchen Holz im ganzen Haus verziert war, und auf den Masken an den Wänden, unter der niedrigen gewölbten Decke und auf den Regalen. Der kühle Seewind raschelte in den Blättern der Chroniken des Gedenkens und legte die älteren Seiten frei, die mit farbigen Zeichnungen, komplizierten Ornamenten und detaillierten, lebensechten Abbildern der Toten geschmückt waren.
»Westfallens Leser haben immer an die Wahrheit geglaubt, die vom verbotenen Zweig des Ordens repräsentiert wird, weil wir keine Angst vor dem haben, was er verkörpert. Wir glauben nicht, dass dies unsere Autorität untergräbt. Ganz im Gegenteil. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Leser aus einem kleinen Kreis von Ordensmitgliedern ausgewählt werden, von denen viele noch nie den Schlüssel zu einem Haus der Masken oder eine Wiese, auf der sie predigen konnten, erhalten haben.
Wir bleiben vorsichtig in Verbindung und bauen auf, was erbaut werden muss, weil es das wahre Wort Gottes ist, wie wir es sehen.« Sie hob beide Hände. »Mir ist klar, dass die meisten nicht unserer Meinung sind, und deshalb versuchen wir auch nicht, unsere Ansichten anderen aufzuzwingen, die sie nicht willkommen heißen.
Da wir den übrigen Orden nicht aufschrecken wollen, bleibt
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