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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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seinem scharfen Blick in Angst und Schrecken versetzen konnte.
    »Nein, nicht ganz«, antwortete Gorian. »Mein Bewusstsein versteht, was meine Sinne mir zutragen, und so entstehen Bilder in meinem Kopf. Ich setze aber meinen ganzen Körper ein, um die Energien zu verändern oder zu verstärken, die ich selbst von außen hereinhole.«
    »Das soll für den Augenblick reichen, Junge«, sagte Jhered. »Nun mach weiter und tu, was du tun musst. Der Lärm und der Gestank machen mich schwindelig.«
    Im Grunde war es ganz einfach. Gwythen behielt die Kuh im Auge und passte auf, dass er ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügte, während Gorian sich überlegte, wie er den Körper des Muttertiers einsetzen konnte, damit sich auch das Kalb bewegte. Er fand einen Rhythmus, und kaum dass er begonnen hatte, übernahm die Kuh den größten Teil der Arbeit selbst. Auch das Kalb reagierte und ruckte, bis seine Nase nach unten zeigte und den Ausgang suchte.
    Die Kuh entspannte sich, sobald die Schmerzen nachließen und die Geburt näher rückte. Gorian speiste die letzten Bahnen mit Energie, während das Kalb in den Geburtskanal eintrat. Die Kuh reagierte so, wie die Natur es ihr eingegeben hatte, und versuchte aufzustehen.
    »Gwythen, weg da!«
    Gorian verließ die Box, die Kuh drehte sich und prallte gegen die Seite, wo er gerade noch gehockt hatte. Kräftige Arme zogen an den Seilen und zerrten sie hoch. Sie stieß ein langes, schmerzvolles Muhen aus. Obwohl er sie nicht mehr berührte, konnte Gorian durch die Luft spüren, wie angespannt ihr Körper war. Dann liefen Wellen durch ihre Flanken.
    Das Kalb kam blitzschnell zur Welt. Es rutschte im Fruchtsack zusammen mit einem Schwall Blut und Schleim heraus und landete im Heu. Gorian stürzte sofort los und nahm das glitschige Neugeborene in die Arme, um Nase, Maul und Augen zu säubern. Der Besitzer griff ebenfalls zu und trennte die Nabelschnur. Gleich darauf versuchte das Kalb aufzustehen, während die Mutter sich drehen wollte, um es sauber zu lecken und mit sanften Stößen zum Euter zu bewegen, damit es trinken konnte.
    »Jetzt ist alles überstanden, Kleines«, sagte Gorian, während er den schleimigen, bebenden Körper streichelte. »Dein Leben lag in meinen Händen, was? Ein Glück für dich, dass ich dich am Leben lassen wollte.«
    Damit stand er auf und wischte sich die Hände an der Tunika ab, die mit Dreck und Blut verschmiert war. Lächelnd wandte er sich an Kessian und den Marschall, doch alle schienen die Stirn zu runzeln.
    »Ich hab’s geschafft«, sagte er für den Fall, dass ihnen sein Triumph entgangen war. »Ohne meine Hilfe wären sie beide gestorben.«
    »Was meinst du damit, es hätte Glück gehabt, dass du es am Leben lassen wolltest?«, fragte Jhered.
    »Genau das, was ich gesagt habe«, erwiderte Gorian. Er war gereizt, weil sie kommentarlos über seine Arbeit hinweggingen.
    »Bedeutet dies, dass du es ebenso leicht auch mit …« Er machte eine Geste und suchte nach den richtigen Worten. »Dass du es mit deinen Fähigkeiten hättest töten können?«
    Gorian runzelte die Stirn. »Ich meinte nur, dass es überlebt hat, weil ich wollte, dass es überlebt. Ich bin da, ich konnte helfen, ich habe ihm das Leben geschenkt. Das hätte niemand außer mir tun können. Was wollt Ihr denn nur, könnt Ihr das nicht sehen?«
    »Schon gut, Gorian«, sagte Kessian. »Er muss diese Fragen stellen. Bitte reg dich nicht auf.«
    »Ich habe ihm das Leben geschenkt.« Er starrte Jhered an und stellte fest, dass er keine Angst hatte. »Und das Gleiche würde ich auch für Euch tun, wenn Ihr mich bitten würdet. Wärt Ihr dann auch misstrauisch?« Er wandte sich an seine Mutter. Meera war da und nickte ihm zu, um ihm zu zeigen, dass er seine Sache gut gemacht hatte. »Ich muss mich jetzt ausruhen, ich bin müde.«
    Sie machten ihm Platz, damit er gehen konnte, aber hinter sich hörte er, wie sie redeten, wenngleich nicht über ihn. Sie hatten schon vergessen, was er getan hatte. So etwas konnte niemand außer ihm tun. Warum waren sie nicht erstaunt?
    »Wohin gehen wir jetzt, Jhered?«, fragte Marschall Vasselis den Einnehmer.
    »Ich glaube, wir gehen zur Leserin. Sie muss einige schwierige theologische Fragen beantworten. Danach zu Euch, Kessian. Bitte entfernt Euch nicht zu weit.«
    Ihre Stimmen verloren sich hinter ihm.
    »Was werden sie tun?«, wollte Gorian von seiner Mutter wissen.
    »Das weiß ich nicht, Liebling«, sagte sie und drückte ihn an sich. »Aber du hast ihnen

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