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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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gewählten Ort zu leben und zu arbeiten, den Ausschlag gegeben.
    Prätorin Gorsal ging zum Rand der Stadt, wo die Tsardonier eintreffen würden, und wartete. Sie sah zu, wie sie an den äußeren Gehöften vorbeikamen und langsamer wurden, bis sie nur noch trabten und dann im Schritt ritten. Sie hatten die Schreine Junis gesehen, der atreskanischen Fruchtbarkeitsgöttin. Dies war die Jahreszeit der Wärme und Ernte, es war die Zeit der Juni. Alle ihre Schöpfungen im ganzen Land erstrahlten in ihrem Glanz.
    Gorsal stand unter dem blauen Himmel und der sengenden Sonne; über ihr wehte die Parlamentärsflagge. Ihre Verwalter und Magistraten standen bei ihr. Alle trugen die Kleidung von Solastro, keiner von ihnen war bewaffnet. Allerdings versperrten sie die Straße.
    Die Tsardonier näherten sich und fühlten sich stark genug, um die Schwerter in den Scheiden zu lassen. An den etwa fünfzig Speerspitzen flatterten Banner. Insgesamt war die Abteilung hundertfünfzig Kämpfer stark. Wegen der Hitze trugen sie zu Pferd nur leichte Rüstungen. Die Sehnen ihrer Bogen hatten sie abgespannt, die Waffen hingen auf ihren Rücken. Die Pferde wirkten kräftig, wenngleich nach dem morgendlichen Ritt etwas müde.
    Der Anführer stieg ab, als sie auf zwanzig Schritte heran waren. Sechs Wächter nahmen ihn in die Mitte. Gorsal war froh, ein bekanntes Gesicht zu entdecken, auch wenn der Mann einherstolzierte, als sei er der Herr der ganzen Welt.
    »Prätorin Gorsal«, begrüßte er sie und deutete eine Verbeugung an.
    »Sentor Rensaark«, sprach sie ihn höflich mit seinem Rang an, der etwa dem eines Zenturios entsprach.
    »Ihr seid noch da.« Er sprach Estoreanisch mit starkem Akzent. »Daher nehme ich an, dass eure Bitten an den Marschall Erfolg hatten. Es sei denn, ihr wünscht den Tod.«
    »Keines von beidem.« Gorsal deutete auf die Parlamentärsflagge, worauf Rensaark eine finstere Miene machte und sich drohend aufrichtete. »Höre mich an, wenn du auch nur ein wenig Achtung für mich empfindest.«
    Rensaark zuckte mit den Achseln.
    »Die Bitten und Forderungen, die wir an den Marschallverteidiger Yuran gerichtet haben, wurden abgelehnt. Deine Erklärung, die wir ihm übermittelt haben, wurde mit einem Lachen abgetan. Allerdings hat niemand in dieser Stadt das Bedürfnis, für jene zu sterben, die sich weigern, uns in unseren Häusern zu beschützen, und uns stattdessen in Zeltlagern in Haroq eine unzulängliche Zuflucht bieten.
    Wir wollen hier in Gullford in Frieden leben. Wir wollen mit unseren Nachbarn Handel treiben, sei es die Konkordanz, Atreska, Kark oder Tsard. Deshalb sind wir zu einer Entscheidung gelangt.«
    Sie drehte sich mit erhobenen Händen zur Siedlung um und winkte. Auf allen Dächern von Gullford stand ein Flaggenmast, und neben jedem stand ein Bürger mit einem Bogen. Auf ihr Signal wurden die Flaggen entrollt. Die Banner waren diagonal in eine goldene und eine weiße Hälfte unterteilt, und in der weißen Hälfte prangte eine goldene Sonne, während in der goldenen Hälfte eine weiße Sonne abgebildet war.
    Es waren die Flaggen des untergegangenen atreskanischen Königreichs.
    Sie wandte sich wieder an Rensaark. »Wir betrachten uns nicht mehr als Teil der Konkordanz. In dieser kleinen Enklave sind wir unabhängig und erwecken das alte Atreska wieder zum Leben. Du hast auf den Feldern wieder die stolzen Schreine gesehen, die der Orden sofort zerstören würde. Jetzt siehst du unsere Flaggen. Wir sind uns einig, und nun liegt es bei dir, Sentor aus Tsard. Schlachte uns ab oder treibe Handel mit uns. Kehre zu dem zurück, was vorher war, oder sei für immer unser Feind. Was sagst du?«
    Rensaark starrte die Flaggen und dann Gorsal an. Er stieß einen bellenden Befehl aus, der sie zusammenzucken ließ. Seine Männer stiegen ab und führten die Pferde am Zügel herbei. Schließlich lächelte Rensaark breit und zeigte ihr seine abgebrochenen faulenden Zähne.
    »Die Furcht soll für euch ein Ende haben, und die Freundschaft mit dem Königreich Tsard sei erneuert. Mit eurem Schritt beginnt der Tod der Konkordanz. Dieser Tag ist ein großer Tag, ein Sieg ohne Blutvergießen.«
    Er streckte die Hände mit nach oben gerichteten Handflächen aus. Sie schluckte ihre Abscheu über seine früheren Taten hinunter und legte ihre Hände auf die seinen. Das Abkommen war besiegelt. Das Schicksal nahm seinen Lauf.

 
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    848. Zyklus Gottes, 1. Tag des Solasauf
    15. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    V ier Stunden vor der

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