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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Körper hinweg, die Treppe hinauf.
    Oben angekommen, sah er seinen Sohn, seinen Sohn, der eine Klinge an den Hals der Kanzlerin hielt. Horst Vennegoor stand stocksteif neben ihm. Auf der anderen Seite des Oratoriums drängten sich die Autorität und die Aufgestiegenen aneinander. Überall schrien und weinten Leute, und er sah Gorians wütende Miene. Am Himmel sammelten sich Gewitterwolken, und unten auf dem Forum jubelten die Bürger von Westfallen, als sie ihn und seine Männer erkannten.
    »Ich will hier Ruhe und Ordnung haben!«, brüllte er. »Ruhe und Ordnung!«
    Der Himmel klärte sich, und der Wind schlief ein. Jetzt hörte er nur noch jemanden weinen. Er wandte sich an die Kanzlerin, etwas Blut tropfte von seiner Schwertspitze. Seine Männer hatten die Ordenskrieger auf dem Oratorium zurückgedrängt und entwaffneten sie, um die Autorität und die Aufgestiegenen zu schützen.
    »Löse deinen Schwertgurt, Horst. Ich will nicht auch noch dein Blut auf meiner Klinge sehen«, sagte er. »Und gib den Befehl, dass sich deine Krieger zurückziehen. Ihr werdet alle hier verschwinden.«
    Vennegoor nickte leicht und hob die Hände zum Gürtel. Vasselis stand inzwischen dicht vor der Kanzlerin und erkannte die Furcht hinter ihrem stolzen Gehabe. Allerdings fürchtete sie nicht um ihr Leben, sondern vor allem das, was sie gesehen hatte.
    »Es ist gut, Kovan, du kannst dich jetzt zurückziehen. Ich bin stolzer auf dich, als ich es mit Worten ausdrücken kann.«
    »Ihr zieht sogar Euren Sohn hinein«, sagte Koroyan. »Kennt Eure Selbstsucht denn überhaupt keine Grenzen?«
    Vasselis wartete, bis sein Sohn das Schwert in die Scheide gesteckt und sich zu den Aufgestiegenen gesellt hatte. An diesem Tag war er zum Mann gereift. Auf seine Weise war dieses Erwachen für ihn ebenso wichtig wie das Erwachen derjenigen, die er beschützte. Und dies auch noch im Angesicht solcher Brutalität und Gewalt. An einem anderen Tag hätte Vasselis darüber gelächelt, aber nicht heute.
    »Kovan, du bist jetzt für sie verantwortlich. Nimm sie mit. Du weißt, was du zu tun hast.«
    »Sie hat Vater Kessian getötet«, rief Gorian.
    »An dieser Stelle wird es enden«, sagte Vasselis, auch wenn ihm das Herz brach. »Geht jetzt, solange ihr noch könnt. Hier seid ihr nicht mehr sicher.«
    »Sie werden nicht weit kommen«, drohte Koroyan. »Wir kennen ihre Gesichter. Ihre Augen sind der Beweis für ihre Schuld. Und Ihr werdet mit ihnen verbrennen, Marschall. Eure Zeit ist abgelaufen.«
    »An Eurer Stelle würde ich kein weiteres Wort mehr sagen, Felice. Ihr habt für einen Tag schon genug Schaden angerichtet.«
    Er blickte nach links, wo Elsa in ihrem Blut lag, das Haar bewegte sich leicht in der Brise. Rechts lag Kessian reglos und tot.
    »Ich bin hier, um …«
    »Schweigt!« Vasselis legte seinen ganzen Zorn in das eine Wort. »Wenn Ihr nicht das Siegel der Advokatin vorweisen könnt, habt Ihr keine Befugnis, irgendein Urteil zu sprechen. Dies ist mein Land, dies sind meine Leute. Ich werde nicht zögern, jeden niederzustechen, der sie bedroht.«
    Das Jubelgeschrei, das hinter ihm losbrach, war lang und anhaltend. Er nickte, drehte sich aber nicht um, sondern beugte sich nahe zu Koroyan vor.
    »Felice, Ihr könnt versuchen, Euren Willen durchzusetzen, dann werde ich Euch vor den Augen dieser unschuldigen, gesetzestreuen Menschen demütigen. Oder Ihr könnt es lassen, und dann werden wir beide an einem anderen Tag vor der Advokatin stehen, um uns zu rechtfertigen. Wie soll es sein? So oder so werden die Aufgestiegenen unbehelligt diesen Platz verlassen.«
    Koroyan betrachtete die Aufgestiegenen, die fast mit Gewalt von Ardol Kessians Leichnam weggezogen werden mussten. Sie lächelte humorlos.
    »Ihr seid ein Ketzer und werdet brennen«, sagte sie. »Ich frage mich, wie viele Männer Ihr überhaupt hier habt.«
    »Verdammt sollt Ihr sein, Felice. Verdammt sei Eure Asche im Wind.« Er drehte sich um. »Lauf, Kovan, lauf!«
     
    Arducius konnte vor Tränen kaum etwas sehen. Einer von Vasselis’ Soldaten hatte ihn hochgezogen und zusammen mit den anderen Aufgestiegenen und der Autorität die Treppe hinunterbugsiert. Von den Seiten des Forums kamen Pfeile geflogen, die klickend auf Stein prallten oder über ihre Köpfen pfiffen. Nur Genna war bei Vater Kessian geblieben, der in der heißen Nachmittagssonne hingestreckt auf der steinernen Bühne lag. Mirrons Schreie, als sie fortgerissen und weggeschoben wurde, würde er nie vergessen. Er hatte

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