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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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meine Kleine?«
    »Wir verstehen das nicht. Du willst es uns nicht verraten. Warum müssen wir andere Begabungen suchen?«
    »Es gehört zu der Ausbildung, die wir alle durchlaufen. Mirron, du bist eine Feuerläuferin, wie es sie in der Geschichte des Aufstiegs noch nie gegeben hat. Auch die Fähigkeiten deiner Brüder werden mit jedem Tag stärker.« Er zwinkerte Arducius zu. »Wir brauchen dringend einen großen Windleser, junger Mann. Der jetzige wird allmählich sehr müde. Aber die Lehren Gorians sagen, dass ein wahrer Aufgestiegener noch mehr zeigt, und wenn dies geschieht, dann ist er sogar fähig, seine eigene Begabung und die Welt um sich herum zu verändern. Und das wird erst der Anfang sein.«
    Kessian war nicht sicher, ob sie es verstanden hatten, aber es schien ihnen zu gefallen.
    »Nun gut, Mirron, willst du beginnen? Du musst dich nicht bewegen. Wir sind aus einem bestimmten Grund im Orangenhain. Die Bäume sind ebenso wie das Gras darunter voller Leben. Du kannst es riechen, nicht wahr? Aber kannst du es auch fühlen? Lege deine Hände auf den Boden. Lass auf dich wirken, was deine Fingerspitzen ertasten. Sage mir alles, aber sei ehrlich. Blindes Raten hilft uns nicht.«
    »Warum ist Hesther nicht hier?«, fragte Ossacer. »Sie könnte uns erklären, was wir hier suchen sollen.«
    »Aus genau diesem Grund ist sie nicht hier, mein junger Krieger«, erwiderte Kessian. »Wenn du keine Ahnung hast, kannst du auch nicht beeinflusst werden. Alles, was du fühlst, kommt dann aus deinem eigenen Herzen. Mirron, fahre bitte fort.«
    Sie warf einen raschen Blick zu Gorian, dann senkte sie den Kopf, weil sie unter seinem scharfen Blick errötete. Als sie die Hände aufs Gras legte und die angenehme Wärme spürte, war sie sich zugleich auch aller anderen in der Runde bewusst. Vater Kessian sprach leise mit ihr und ermunterte sie. Wie sie es gelernt hatte, leerte sie ihren Geist von überflüssigen Gedanken und versuchte, sich auf den Raum in ihrer unmittelbaren Umgebung zu konzentrieren.
    Beim Feuer fiel es ihr leicht, das war schon immer so gewesen. Es war für sie wie ein Freund, und mit geschlossenen Augen sah sie Bilder von Flammen, sie sie einhüllten, streichelten und beschützten. Auch konnte sie Wege durch die Flammen entdecken und spüren, wo ein Feuer großen Schaden anrichtete, genau wie sie kühle Stellen in einem Feuer oder in frisch geschmiedetem Stahl entdecken konnte. Der Schmied liebte sie.
    So sollte es auch mit der Erde unter ihren Füßen und Händen sein. Mirron beruhigte sich, verlangsamte und vertiefte ihre Atemzüge. Sie spreizte die Finger im Gras, konzentrierte sich auf sie und versuchte, die Erde und die einzelnen Grashalme zu spüren.
    »Nun«, sagte Kessian, »forsche in der Tiefe nach der Energie, die unter der Erdoberfläche existiert. Nach der Kraft, die alles miteinander verbindet und jeder Pflanze, die im Wind schwankt und unter der wärmenden Hand der Sonne wächst, ihre Lebenskraft schenkt. Was spürst du, Mirron, mein Kind? Sage es uns.«
    Mirron versuchte es. Sie wollte einen Wurm entdecken, der sich durch die Erde bohrte. Sie wollte die winzigen Bewegungen der Wurzeln spüren, die einen neuen Halt suchten, sich verdickten und wuchsen. Sie wollte die winzigen Wassertropfen finden, die das Leben in die Erde trugen. Sie wollte herausfinden, ob der Fleck Erde gesund war oder nicht.
    So öffnete sie sich, wie sie es für ein Feuer getan hätte, um die Energien durch sich strömen zu lassen, und versank zugleich im Land unter ihren Fingern. Nichts. Kein Murmeln, kein Flackern. Sie runzelte die Stirn.
    »Ich spüre nichts. Nur das Gras. Es klappt nicht. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll.«
    Es war sinnlos. Sie musste sich dumm vorkommen. Wie konnte man auch von ihr erwarten, dass sie spürte, was dort unten vor sich ging? Sie war eine Feuerläuferin, keine Landhüterin. Sie öffnete die Augen.
    »Vielleicht sind wir nicht das, was ihr glaubt«, sagte Arducius, dem es immer leicht fiel, seine Gedanken in Worte zu kleiden.
    »Du hast das nicht richtig gemacht«, meinte Gorian geringschätzig.
    »Dann versuch du’s doch«, fauchte Mirron. Seine Worte spürte sie wie einen Kratzer auf dem Herzen.
    »Geduld, Geduld«, beruhigte Kessian die Kinder. »Arducius, lass dich bitte nicht von einem kleinen Rückschlag zu sehr enttäuschen. Vergesst nicht, dass ihr jetzt schon die Besten auf eurem Gebiet seid, und das in so jungen Jahren. Ihr seid etwas Besonderes. Aber ihr braucht noch

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